Italien versinkt im Wettskandal

Zeuge berichtet von 43 korrupten Fußballern und 22 verschobenen Partien der Serie A

  • Tom Mustroph, Neapel
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Mann mit dem Zopf redet und beschert ganz Fußballitalien eine unruhige Winterpause. Namen von gleich 43 Fußballprofis hat Carlo Gervasoni der Staatsanwaltschaft von Cremona als Mitbetrüger im Manipulationsskandal im italienischen Fußball genannt. Der bullige Abwehrspieler, der im Hauptberuf in den Strafräumen der zweiten und dritten Liga abräumte, im Nebenberuf aber den einen oder anderen Gegner leicht zum Schuss kommen ließ, um ein vorher abgesprochenes Ergebnis zu erreichen, hat seit Weihnachten immer wieder neue Einblicke in das gesamte Betrugssystem gegeben.

Danach sollen mehrere Dutzend Spiele in allen italienischen Ligen - darunter mindestens 22 Begegnungen in der Serie A - verschoben worden sein. Angesichts einer zu vermutenden Wettbewerbsverzerrung von solch großem Ausmaß kündigte Verbandspräsident Giancarlo Abete ein neues Sportgerichtsverfahren an. »Wir studieren jetzt die Akten. Unser Kontakt zu Staatsanwalt Roberto Di Martino ist optimal. Das hat schon der erste Teil der Ermittlungen gezeigt«, sagte Abete.

Bangen müssen in der ersten Liga vor allem Atalanta Bergamo, CFC Genua und Lazio Rom. Bei Bergamo haben sich nicht nur die Indizien auf Betrugsversuche des Ex-Kapitäns Cristiano Doni bestätigt. Abgehörte Telefonate mit einem Mitglied des Aufsichtsrats legen nahe, dass der Verein die Manipulationen Donis tolerierte.

Neu ist nun, dass durch Aussagen des Hauptbelastungszeugen Carlo Gervasoni auch der CFC Genua und Lazio Rom ihren bisherigen Opferstatus verloren haben. Gervasoni erzählte, dass sowohl der Römer Stefano Mauri als auch Genuas Spieler Omar Milanetto von einer als »Gruppe der Zigeuner« bezeichneten Bande kontaktiert und als verlässlich eingestuft worden sein. Beide standen beim Aufeinandertreffen ihrer Vereine am vorletzten Spieltag der Saison 2010/2011 auf dem Platz. Die Partie stand bereits vor den Aussagen Gervasonis unter Manipulationsverdacht. Mauri, italienischer Nationalspieler und Mannschaftskollege von Miroslav Klose, wies »jede Beteiligung an Betrugsversuchen« zurück.

Gervasoni zufolge begannen die Absprachen bereits 2009, als sich Spieler des Zweitligisten Albino Leffe über Wettmanipulationen zusätzliche Einkünfte bescherten. Im Casino von Lugano wurde das Betrugsspiel dann auf eine höhere Ebene gebracht. »In dem Casino, in dem ich mich öfter aufhielt, fanden auch die Begegnungen mit Gegic und den anderen Osteuropäern statt«, erklärte Gervasoni.

Almir Gegic gilt als Kopf besagter Bande, die über größere Kapitalreserven als die Spieler verfügte und den Ermittlern zufolge in engem Austausch mit dem mutmaßlichen Chef eines Betrugskartells in Singapur stand. Die nächsten Verhöre - und damit wohl die nächsten unangenehmen Nachrichten - sind für die kommende Woche angesetzt.

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