Die zweite Schuld und die letzte Chance der Demokratie

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Als »zweite Schuld« bezeichnete der Publizist Ralph Giordano die Verweigerung und den Unwillen großer Teile der deutschen Bevölkerung, sich der Aufarbeitung von Naziverbrechen und der Rehabilitierung ihrer Opfer zu stellen. Die Ursachen dafür sind vielfältig - zumal es zwei Deutschlands gab, die sich, von höchster Stelle gewollt, höchst unterschiedlich mit Faschismus und Krieg auseinandersetzten.

Sicher ist, dass sich die Bundesrepublik schon sehr früh von der Täterverfolgung verabschiedete und statt dessen wieder deren Opfer an den gesellschaftlichen Pranger stellte. Widerstandskämpfer wurden zu Moskaus Handlangern gestempelt, Deserteure als Verräter gebrandmarkt. General galt als Synonym für Ritterlichkeit, Juristen hatten sich nur an »Recht und Gesetz« gehalten, KZ-Mörder schützte der Befehlsnotstand.

Hitlers Reich ging unter - es lebe die neue Demokratie. Fast nahtlos geschah der Übergang. In staatlichen Behörden, nicht nur der Organisation Gehlen, wurden mit Unterstützung der Westalliierten Fachleute (wieder)eingestellt und bestimmten weithin die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland.

In den vergangenen zehn Jahren wurde die Forderung nach Erforschung dieser Kontinuität so laut, dass kaum ein Ministerium, kaum eine Behörde es noch wagen kann, sich ihr zu entziehen. Das allerdings sagt noch nichts über den Grad der Ehrlichkeit aus, mit dem Politiker, Beamte und Historiker sich dieser Verpflichtung stellen. Doch es ist höchste Zeit - und vermutlich die letzte Chance der Demokratie. hei

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