Verteidigung nicht nur aus Pflichtgefühl

Prominente Szene-Anwälte wollen den Prozess gegen die rechtsextreme Vereinigung SSS kippen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 5 Min.
Die rechtsextreme Szene ist immer besser auf Gerichtsverfahren vorbereitet - und kann, wie der Fall der Kameradschaft SSS belegt, in Prozessen auf Beistand von Gesinnungsfreunden bauen.
Im August 2000 hat der Berliner Rechtsanwalt Carsten Schrank im sächsischen Königstein einen Vortrag gehalten. Thema: »Wie verhalte ich mich bei einer Hausdurchsuchung?« Eingeladen hatte Uwe Leichsenring, Fahrlehrer und Kreisvorsitzender der NPD. Das Thema war brandaktuell. Wenige Wochen zuvor hatte die Polizei in der Gegend über 50 Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) gefilzt und dabei auch ein beeindruckendes Waffenarsenal aufgestöbert. Sieben SSS-Miglieder stehen jetzt vor Gericht. Thomas R., laut Staatsanwaltschaft ein »Rädelsführer«, hat dabei prominenten Rechtsbeistand: Carsten Schrank. Der 37-jährige Jurist, der einst die juristische Kolumne einer Gebrauchtwagenbörse im Internet schrieb und sich seit zwei Jahren als Fachanwalt für Strafrecht präsentiert, hat sich erhebliche Meriten als Verteidiger von Rechtsextremen erworben. Schrank ging im Auftrag der NPD erfolgreich gegen Demonstrationsverbote vor - teilweise bis vor das Bundesverfassungsgericht. Daneben vertrat der Anwalt unter anderem vier Mitglieder der Szene-Band »Landser« (Eigenwerbung: »Terroristen mit E-Gitarre«) und einen sächsischen Hammerskin, der mit einem Kameraden im April 2000 zwei Jugendliche krankenhausreif geprügelt haben soll. Neben Skinheads und Parteifunktionären greifen auch führende Ideologen der rechtsextremen Szene gern zur Telefonnummer von Schranks Kanzlei in einem Nobelviertel am Berliner Kudamm. Der sächsische Landeschef der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO), Alexander Kleber, ging mit seiner Hilfe gegen ein Freiberger Stadtmagazin vor, das ihn als Neonazi bezeichnet hatte. Kleber blieb allerdings ebenso erfolglos wie Andreas Röhler. Der Chef des »Sleipnir«-Verlages wehrte sich zusammen mit Schrank gegen den Vorwurf der Volksverhetzung, weil er das antisemitische Pamphlet »Die Protokolle der Weisen von Zion« vertrieben hatte. Röhler wurde verurteilt. Seinen »Durchbruch« als Staranwalt der rechten Szene dürfte Schrank aber beim Prozess um den Tod von Farid Guenduol geschafft haben. Der auch als Omar ben Nui bekannte Algerier war in Guben von Rechtsextremen zu Tode gehetzt worden. Schrank torpedierte das Verfahren zusammen mit anderen Verteidigern durch ein, wie Berichterstatter schrieben, »Sperrfeuer obstruktiver Anträge, Rügen, Beanstandungen und Befangenheitsanträgen«. Diese Strategie scheint er auch im SSS-Prozess zu verfolgen. Bereits zu Prozessauftakt rügte Schrank die Besetzung die Schöffenauswahl. Wegen der fehlenden Bereitschaft des Verfassungsschutzes, Auskunft über V-Leute zu geben, hat er gar die Einstellung des Verfahrens gefordert. Beobachter vermuten, dass der Rechtsanwalt in solchen Prozessen nicht nur von beruflichem Ehrgeiz getrieben wird. Recherchen des Netzwerks »Blick nach rechts« zufolge eröffnete Schrank im Oktober 2001 bei der Dresdner Bank ein Konto mit dem Verwendungszweck »Freiheit«. Dort eingehende Spenden sollten, so die Recherche, die Prozess- und Anwaltskosten für die angeklagten »Landser«-Mitglieder decken. Zudem gehört Schrank zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs »Ja zu Deutschland, Ja zur NPD«. Das Pamphlet richtet sich gegen ein Verbot der rechtsextremen Partei. Begründung: Übergriffe gegen Ausländer würden »vom Machtkartell für eine beispiellose Lügen- und Hetzkampagne« gegen die NPD »missbraucht«. Unterschrieben hat den Aufruf mit Günther Herzogenrath-Adelung auch ein weiterer prominenter Anwalt der Szene, der jetzt in Dresden auftritt. Er verteidigt mit Thomas Sattelberg den wahrscheinlich führenden Kopf der SSS. Es ist das jüngste einer Reihe von Mandaten von fragwürdiger Provenienz. Herzogenrath-Adelung beriet zuvor den SS-Mann Erich Priebke und verteidigte Jens Pühse, der einen unter Rechtsextremen bundesweit bekannten Plattenversand betreibt. Auch für Herzogenrath-Adelung dürfte der Dresdner Prozess, in dem er bislang im Gegensatz zu Schrank eher zurückhaltend agierte, mehr als ein Pflichtauftritt sein. So ließ sich der Regensburger Anwalt auf Veranstaltungen wie dem »Tag des Nationalen Widerstands« 1998 in Passau sehen. Wohl nicht zufällig kamen auch erste Informationen über den Umzug des NPD-Verlages »Deutsche Stimme« vom bayerischen Sinningen ins sächsische Riesa vor drei Jahren von Herzogenrath-Adelung. Bezeichnend ist zudem eine Äußerung des Anwalts, von der die Wochenzeitung »Die Zeit« berichtet. Adressat war einer der jungen Türken, die voriges Jahr in München verhinderten, dass eine Horde Skinheads einen Griechen totprügelte. Diesen soll Herzogenrath-Adelung im Gerichtssaal gefragt haben, »wo er lieber beerdigt werden möchte - in Deutschland oder in der Türkei?« Der Staatsanwalt, so die »Zeit«, habe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dass die beiden Hauptangeklagten im jetzigen SSS-Prozess auf derart prominenten Rechtsbeistand bauen können, ist ein neuerlicher Beleg dafür, dass die rechtsextremen Szene immer besser auf juristische Auseinandersetzungen vorbereitet ist - eine Beobachtung, wie sie die Zeitschrift »Der rechte Rand« bereits im Mai 2001 in einem Artikel machte, der auch auf Schranks einschlägige Vergangenheit hinwies. Von den Autoren der antifaschistischen Monatszeitschrift wird dabei auch die Rolle des »Deutschen Rechtsbüros« herausgestellt. Die Auskunftei mit Kontaktadresse im brandenburgischen Birkenwerder hilft Rechtsextremen mit Musterschriftsätzen ebenso aus wie mit Kontakten zu Rechtsanwälten. In Broschüren wird unter anderem informiert, welche »judenkritische Äußerungen« strafbar sind und wie mit »Pressehetze« umzugehen ist. Die Szene versucht indes auch Vorkehrungen zu treffen, damit solcher Beistand nicht nötig wird: Zum Pflichtprogramm vieler Rechtsextremer gehören inzwischen regelmäßige juristische Fortbildungen. Laut Anklage im SSS-Prozess wurden für die Kameraden in der Sächsischen Schweiz alle ein bis zwei Monate »Rechtsbelehrungen« durchgeführt. Die bisherigen zwei Verhandlungstage in Dresden lassen erwarten, dass vor allem die beiden Star-Anwälte der Szene die Richter und Staatsanwälte vor große Herausforderungen stellen werden. Aber immerhin: Auch Mitangeklagten, deren Rechtsbeistände bislang nicht durch eine offensive Verteidigung auffielen, können von Schranks Wissen profitieren. Der Berliner Jurist hat unlängst ein Taschenbuch herausgegeben. Titel: »Richtiges Verhalten im Strafverfahren. Ein Ratgeber für Beschuldigte«.
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