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Große Ankündigung – kleine Wirkung
Donald Trumps Waffenfreigabe und Sanktionsdrohung gegen Moskau werden den Ukraine-Krieg nicht beenden
Es sollte eine »große Ankündigung« von US-Präsident Donald Trump werden, ein Versprechen, das vor allem bei denjenigen Hoffnungen schürte, die sehen wollen, wie die Ukraine mit westlichen Langstreckenraketen das russische Hinterland und am liebsten noch Moskau bombardiert. Es kam anders, aus der »großen Ankündigung« wurden erwartete Zusagen und Drohungen.
Erfreulich für die Ukraine: Statt der anvisierten drei Patriot-Systeme kann das Land auf mehr hoffen. Wie viele genau, bleibt erst mal unklar. Man werde 17 Luftabwehrsysteme bereitstellen, jedoch nicht an die Ukraine direkt, sondern an die Europäer, die dafür bezahlen und ihre Systeme an Kiew weiterreichen. Bis es so weit ist, wird noch einige Zeit vergehen. In zwei bis drei Monaten könne man Kiew beliefern, gab sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am Montagabend überzeugt. Allerdings könnte sich die Waffenübergabe auch über Jahre hinziehen. Grund seien Probleme mit zuvor vereinbarten Lieferungen, schreibt das Portal Politico mit Verweis auf eine Quelle im Pentagon.
Abwehrwaffen ja, Angriffswaffen nein
Von den vor allem in Berlin geforderten Langstreckenraketen war keine Rede. Verschiedene Meldungen, die Bundesregierung bemühe sich um den Kauf solcher Waffen, sind bisher nicht verifiziert. Berichte, Trump habe Wolodymyr Selenskyj Angriffe im russischen Hinterland erlaubt, wies das Weiße Haus zurück.
»Ich bin enttäuscht von ihm. Ich habe noch nicht mit ihm abgeschlossen, aber ich bin enttäuscht von ihm.«
Donald Trump US-Präsident
Von Russlands Haltung zeigte sich Trump erneut frustriert: »Ich bin enttäuscht von ihm. Ich habe noch nicht mit ihm abgeschlossen, aber ich bin enttäuscht von ihm«, sagte Trump der BBC über Russlands Präsident Wladimir Putin.
Bereits viermal habe er gedacht, dass er sich mit Putin geeinigt habe, »und dann kommst du nach Hause und siehst, dass er gerade ein Pflegeheim oder so etwas in Kiew angegriffen hat«. Auf die Frage, ob er Putin traue, antwortete Trump: »Ich traue fast niemandem, um ehrlich zu sein.«
Zölle sollen Putin zum einlenken bewegen
Sollte der Kreml nicht binnen 50 Tagen, bis zum 1. September, zu einem Waffenstillstand bereit sein, werde man Zölle von 100 Prozent gegen Russland und seine Handelspartner erlassen, drohte der US-Präsident und ruderte damit gegenüber früheren Ankündigungen von 500 Prozent zurück. Für Trump wird damit ein nötiger Gesetzentwurf überflüssig und möglicherweise auch eine Blamage, gab es doch zuletzt reichlich Zweifel am 500-Prozent-Vorhaben.
Die Reaktionen aus Moskau fielen erwartbar aus. Trumps Ankündigungen seien »sehr ernst«, meinte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Man brauche Zeit für die Analyse. Falls Putin die Aussagen Trumps für kommentierungswürdig halte, werde er sich entsprechend äußern, so Peskow weiter. Er selber sehe im Ultimatum eher die Fortsetzung des Krieges als einen Schritt zu dessen Ende.
Das Außenministerium gab sich wie gewohnt mitteilsamer. Der stellvertretende Außenminister Alexander Gruschko zeigte sich verwundert, dass keine Aufforderung zur Wiederaufnahme der Gespräche nach Kiew ging. Außenminister Sergej Lawrow gab sich selbstbewusst. Russland sei mit den bisherigen Sanktionen zurechtgekommen und werde es auch mit neuen tun, so Lawrow.
Experte bezweifeln, dass Sanktionen kommen
Ohnehin scheint zweifelhaft, dass die USA ihre Sanktionsdrohung umsetzen. Washington würde damit seinen Verbündeten und letztendlich sich selbst schaden, meint unter anderem der Ölexperte Sergej Wakulenko vom Berliner Carnegie Zentrum im Gespräch mit dem Onlinemedium Meduza. Die größten Käufer russischen Öls seien derzeit China, Indien und die Türkei. Selbst Saudi-Arabien bezieht Heizöl für seine Anlagen aus Russland.
Die Türkei, gibt Wakulenko zu bedenken, spielt eine wichtige Rolle im Nahen Osten. Ankara ist aus dem derzeitigen fragilen Gleichgewicht in Syrien nicht wegzudenken. Sich jetzt wegen Russland zu zerstreiten, sei unnütz und nicht im Interesse der USA.
Trump wird keinen Handelskrieg mit China riskieren
Und dann ist da noch China, mit dem man sich an der Grenze zu einem gigantischen Handelskrieg befindet. Das Handelsvolumen der beiden Staaten umfasse 250 Milliarden US-Dollar im Jahr, inklusive massiver Ölimporte. Eine direkte Konfrontation mit der zweitgrößten Weirtschaftsmacht wegen der Ukraine, deren Schicksal laut Trump keine existenzielle Bedeutung für die USA hat, will Trump vermeiden, schreibt die »New York Times«.
China hat seine Position bezüglich Russland und der Ukraine wiederholt deutlich gemacht. Man werde gerne vermitteln, könne es aber nicht zulassen, dass Russland verliere. Die Sanktionsankündigung Trumps verurteilte Peking als »unrechtmäßig« und versprach Moskau »tiefere« Unterstützung.
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Auch in 50 Tagen herrscht kein Frieden
In 50 Tagen, soviel ist klar, werden die Waffen nicht schweigen und kein Frieden in Sicht sein. Russland wird seine Angriffe fortführen und zeigt kein gesteigertes Interesse an Verhandlungen. Nach den letzten Gesprächen in Istanbul hieß es aus russischen Diplomatenkreisen, man rede nur über Themen mit der Ukraine, bei denen eine Einigung möglich ist.
Auch die Ukraine scheint nicht zu weiteren Gesprächen bereit zu sein. Zumal Unterstützer wie Bundeskanzler Friedrich Merz die Diplomatie als ausgereizt bezeichneten. Wie so ein »gerechter Frieden« zustande kommen soll, bleibt ein Mysterium. So bleibt ironischerweise Donald Trump als fast Einziger übrig, der es noch mit Gesprächen probieren will. Um sich dann zurückzuziehen und sich anderen Regionen zu widmen.
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