»Internationalistisches Zentrum« im Frankfurter Gallus gegründet

Linkes Kollektiv besetzt städtischen Leerstand für Stadtteilarbeit und Palästina-Diskurs

  • Robin Jaspert
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Besetzer*innen des IZ berichten von positiven Reaktionen aus der Nachbarschaft.
Die Besetzer*innen des IZ berichten von positiven Reaktionen aus der Nachbarschaft.

»Das sind liebe Menschen, schreib mal was Gutes«, kommentiert ein Mitarbeiter eines Geschäft in direkter Nachbarschaft zum Internationalistischen Zentrum (IZ), das mit der Besetzung eines Leerstandes am Samstag im Frankfurter Gallusviertel eröffnet wurde. Zwei seiner Kunden fragen interessiert, was es mit den Pavillons, Bierzeltgarnituren, Palästina-Fahnen und vielen Menschen vor dem ehemaligen Ladenlokal nebenan auf sich hat. Dass dort gerade eine Veranstaltung zur Rolle Deutschlands im Genozid in Gaza stattfindet, finden sie gut. Deutschland verdiene zwar mit den Waffenexporten nach Israel viel Geld, aber dass Wohlstand hierzulande besser auf anderem Wege gesichert werden könnte, ist im Gespräch Konsens.

Von positiven Reaktionen aus der Nachbarschaft berichtet auch Besetzer Theo. Viele Menschen würden Essen und Getränke vorbeibringen, sich freuen, dass das Lokal wieder genutzt und belebt wird. Die Aktivist*innen sind ein Kollektiv bestehend aus migrantischen und internationalistischen linken Gruppen und Einzelpersonen. Sie wollen einen Raum für solidarische Stadtteilarbeit sowie internationalistische Bildung und Organisierung schaffen. Etablierte linke Strukturen hätten insbesondere im Hinblick auf Palästina-Israel versagt, deswegen brauche es neue Räume.

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»Die Dominanz und Relevanz antideutscher Gruppen nimmt zwar ab, aber sie sind es, die Zugang zu Räumen haben, die auf Ressourcen und Geld sitzen. Seit nun fast zwei Jahren Genozid brauchen wir einen Raum, wo wir endlich einen offenen Diskurs über Palästina haben können«, erklärt Theo. Ein anderer Besetzer ergänzt, mit dem Café Kurzschlusz sei ein anderer selbstverwalteter Raum kürzlich von der Hochschulleitung dichtgemacht worden. Auch an der Goethe-Universität sei kein offener Diskurs über Palästina möglich, was die Absage der Konferenz »Talking About (the Silencing of) Palestine« durch die Universität im Januar gezeigt habe.

Die Besetzung sei deswegen vor allem ein Mittel zum Zweck. »Wir wollen uns nicht dahinter verschanzen«, so Theo weiter. Stattdessen sei die Verankerung im Stadtteil zentral. Internationalistische Themen würden im migrantisch geprägten Gallus sowieso die meisten Menschen beschäftigen – es fehlten nur die Räume für den Austausch. Viele Veranstaltungen würden laut den Besetzer*innen bislang von einem Publikum besucht, das größtenteils weiß, gebildet und studentisch ist.

Im Gallus gab es bis 2023 bereits ein Internationales Zentrum (ebenfalls abgekürzt mit IZ), es war ein wichtiger Raum vor allem für migrantische Gruppen. Aufgrund steigender Mieten mussten die Betreiber*innen das Lokal aber schließen. Mit dem »alten« IZ stehen die »Neuen« im guten Austausch.

Nach Bekanntgabe der Besetzung dauerte es mehr als zwei Stunden, bis die Polizei vor Ort war – aus der Nachbarschaft hatte es wohl niemand für nötig gehalten, sie zu informieren. Als die Beamt*innen schließlich anrückten, waren die Besetzer*innen bereits im Gespräch mit den Eigentümer*innen: der Stadt Frankfurt und der sie vertretenden Baudezernentin Sylvia Weber (SPD). Sie sprach dem Kollektiv eine vorläufige Duldung aus. Für die kommenden Tage ist eine Inspektion der Räume durch das Amt für Bau und Immobilien angesetzt. Dieser sehen die Menschen vom Kollektiv entspannt entgegen: Die Räume seien bei der Besetzung in sehr gutem Zustand gewesen, Feuerlöscher und Rauchmelder bereits installiert.

Die inhaltliche Arbeit im neuen IZ scheint gut anzukommen, der kleine Veranstaltungsraum war bei den bisherigen Veranstaltungen rappelvoll. Auch die Bewohner*innen der oberen Stockwerke des Hauses hätten sich bereits mehrfach blicken lassen, heißt es aus dem Kollektiv. Neben Veranstaltungen zu Palästina stehen für das Programm der ersten Woche auch Berichte zu Kämpfen in der Westsahara, Ägypten und Kenia auf dem Programm.

Von der Frankfurter Politik hoffen die Besetzer*innen auf Anerkennung ihrer Arbeit und die Möglichkeit zur langfristigen Nutzung der Räume: »Wir wollen der Stadt zeigen, dass wir ein Konzept für diesen Raum haben: eine Vision, wie sich unsere Arbeit in den Stadtteil integriert.«

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