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Das Mehr aus dem Weniger

Ein »Rettungspaket« für Schwerins Staatstheater

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Theater in Schwerin wird wohl erhalten, steht aber vor einem schweren Aderlass. Hintergrund der Beinahe-Insolvenz ist auch die seit Jahrzehnten restriktive Kulturpolitik des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Wenn die Lage nicht so ernst wäre, könnte man den Vorgang als Kunstperformance mit aktuellen Bezügen deuten: Was Griechenland derzeit im Großen erlebt und was die »Finanzmärkte« Portugal bereits androhen, wird am Mecklenburgischen Staatstheater in masochistischer Genauigkeit nachinszeniert.

Das Taumeln am Rande des Präzedenzlosen als somnambuler Dauerzustand, die hektischen Sitzungen, die »Rettungspakete«, der externe Sparkommissar: Was an Drehbuch, Staffage und Personal im großen Weltentheater eine Rolle spielt, tummelt sich auch rings um das stolze Haus in Schwerin. Und verabreicht, auch dazu gibt es Entsprechungen in der Tragödie wie der großen Politik, wird die Pille von einer, die das eigentlich nicht will: Schwerins LINKE-Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow, deren Partei gerade Zehntausende Unterschriften gegen einen Kulturabbau im Land gesammelt hat.

Kündigungen absehbar

Am Dienstagabend mussten sich Schwerins Haupt- und Finanzausschuss mit der Frage auseinandersetzen, ob die klamme Stadt 1,4 Millionen Euro für das Theater hat. Die Oberbürgermeisterin und Hauptgesellschafterin des Theaters ließ dabei keinen Zweifel daran, dass das Theater weiterbestehen soll. Allerdings zu harten Bedingungen: Gramkow erinnerte auch an Pläne aus dem Dezember, in denen es um bis zu 60 Kündigungen gegangen war. Das hatte der Theater-Aufsichtsrat, dem unter anderem Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) angehört, zurückgewiesen.

Das Personal macht bei Theatern immer den Löwenanteil der Kosten aus. In Schwerin stehen etwa 16 Millionen Euro für Beschäftigte nur 550 000 Euro an Miete gegenüber. »Ohne betriebsbedingte Kündigungen - wohl ab Jahresmitte - wird das nicht abgehen«, sagt deshalb der LINKE-Landtagsabgeordnete Henning Förster, der auch in der Stadtvertretung sitzt. Dem Theater wird weiterhin ein Wirtschaftsprüfer beigeordnet, mit dessen Hilfe bereits bis März ein weitreichendes Sanierungskonzept zu erstellen ist. Zudem soll auch seitens der Stadtverwaltung ein Experte in die Bücher schauen. Solchen Inhalts sind die Meldungen, die jetzt mit »Hoffnung für das Staatstheater« überschrieben werden - und wie im Falle Griechenlands stellt sich durchaus die Frage, ob sich mit so viel weniger tatsächlich jenes entscheidende Mehr produzieren lässt, das vonnöten ist, um sich - wie gefordert - selbst aus dem Sumpf zu ziehen.

Was tut das Land?

Am Montag entscheidet nun die Stadtvertretung, es zeichnet sich eine breite Mehrheit ab. »Eine Pleite eines öffentlichen Theaters hat es in der Bundesrepublik noch nie gegeben, das können wir nicht zulassen«, sagt Förster. Schon aus symbolischen Gründen wäre es in der Landeshauptstadt kaum tragbar, das »Staatstheater« zwischen Parlament und Regierungssitz nicht ordentlich zu bespielen.

Wie aber der angekündigte Beitrag der Landesregierung aussehen wird, ist offen. Seit 17 Jahren sind die Landeszuschüsse bei rund 36 Millionen Euro eingefroren; Ministerpräsident Erwin Sellerings letzter Kultusminister Henry Tesch von der CDU versuchte, die Theater mittels dieses Druckes in kostensparende Kooperationsmodelle zu drängen, was gerade bei den großen Häusern in Schwerin und Rostock nur ansatzweise gelang. »Nun lässt das Land die Kommunen die Drecksarbeit machen«, schimpft Henning Förster, der als Gewerkschafter bei den Kündigungsszenarien »starke Bauschmerzen« verspürt.

All das will der LINKE-Politiker im Landtag noch einmal zur Sprache bringen, wenn sich das Parlament mit der erfolgreichen Volksinitiative für den Erhalt der Theater und Orchester auseinandersetzen muss. Wann das freilich sein wird, ist noch nicht abzusehen: Die Unterlagen liegen zur Prüfung beim Wahleiter.

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