Ebbers erleben

Der gemeine Fußballjünger kommt ja immer mal wieder ins Grübeln, wohin sich denn der Fußballgott dieser Tage wohl verkrümelt hat: Bei all dem unverhohlenen Kommerz, den unsittlichen Gehältern, den ungerechten Kollektivstrafen gegen die Fans, den regelmäßigen Schmierenkomödien, wenn Spieler zu Boden sinken und sich theatralisch die Hände vors Gesicht schlagen, als müssten sie weinen, dabei ist es doch nur die Scham, weil jeder sehen konnte, dass da kein Foulspiel war. Oder wenn das alles entscheidende Spitzenspiel nur für teures Geld oder aber in der »sky«-Kneipe zu erleben ist.

In Hamburg gab's am Dienstagabend in Liga zwei mal ein herzerwärmendes Argument für den Glauben an das Gute im Fußball: In der 80. Minute erzielte Marius Ebbers ein Tor für St. Pauli. Mit der Hand. 2:1? Womöglich der Siegtreffer für Pauli, das vom Wiederaufstieg träumt! Der Schiedsrichters fragte nach beim Schützen, und Ebbers gab zu, Hand und Kopf zugleich benutzt zu haben. Das Tor zählte nicht.

Doch der Fußballgott sah, dass es gut war, und siehe: In der 93. Minute traf ein Kollege von Ebbers zum 2:1. Nicht auszudenken, wie Ebbers' Eingeständnis sonst von vielen bewertet worden wäre: als Verrat, als Dummheit, als Sünde? Der FC St. Pauli jedenfalls gewann drei Punkte, der Spieler Ebbers wohl sämtliche Fairplay-Preise, die in nächster Zeit so vergeben werden. Amen.

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