Weiße auf dem Weg in die neue Minderheit

US-Volkszählung: Erstmals wurden mehr nicht-weiße als weiße Babys geboren

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Schmelztiegel, der die USA seit Bestehen immer als klassisches Einwandererland ausweist, ist ständig in Bewegung. Eine neue Qualität meldete jetzt die USA-Statistikbehörde (Bureau of the Census) in der Bundeshauptstadt Washington nach dem Zensus 2011: Erstmals in der Landesgeschichte wurden danach zwischen Juli 2010 und Juli 2011 mit 50,4 Prozent (2,02 Millionen absolut) über die Hälfte nicht-weiße Babys geboren, also Kinder von Eltern hispanischer (Latinos), afro-amerikanischer, asiatischer bzw. Paare gemischter Herkunft. Kinder von Weißen machten 49,6 Prozent aus.

Das bestätigt eine Tendenz, die in den USA zwischen 2040 und 2050 auch in der Gesamtbevölkerungszahl zur Zäsur führen wird. Für diesen Zeitraum wird erwartet, dass die Weißen ihre Mehrheit eingebüßt haben werden. Derzeit besitzen sie mit 63 Prozent der rund 310 Millionen US-Bürger eine Mehrheit. Doch die Kurve zeigt nach unten, woran fallende Geburtenraten bei Weißen, ein höherer Altersdurchschnitt (Weiße 42, Latinos 27,6 Jahre) und seit Langem viel kleinere Einwanderungszahlen aus Europa ihren Anteil haben. Kamen mit den Wellen der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem Briten und Iren, Deutsche und Italiener, Russen und andere Osteuropäer in die Neue Welt, erhöhte sich später laufend der Anteil von Immigranten aus Vietnam, China und anderen Ländern Asiens sowie Mexiko und Lateinamerika.

Der absehbare Marsch der Weißen in eine bundesweite Minderheit ist eine Ebene tiefer in den vier Bundesstaaten Kalifornien, Hawaii, Texas und New Mexico sowie in der Metropole Washington D.C. bereits vollzogen. Doch auch hier, im District of Columbia, setzen sich Veränderungen in der Einwohnerschaft fort. So nahm in Washington zwar die Zahl der Schwarzen (African Americans) im Analysezeitraum um 2000 Personen zu, aber der größte Zuwachs kam aus anderen Gruppen - am stärksten mit 8000 von Weißen - , so dass der Einwohneranteil der Schwarzen in der Bundeshauptstadt erstmals seit Jahrzehnten unter 50 Prozent fiel.

Auch andere Gruppen verzeichnen in jüngerer Zeit Änderungen. Sie resultieren vielfach aus der schweren Wirtschaftskrise seit 2007/2008 sowie schärferem Vorgehen gegen illegale Einwanderer. Namentlich Mexikaner, von denen heute etwa jeder Zehnte im nördlichen Nachbarstaat lebt, zieht es vermehrt nach Mexiko zurück. Der Grund: Die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Vereinigten Staaten haben sich massiv verschlechtert.

Gleichzeitig setzt sich in der USA-Bevölkerungsverteilung ein weiterer Trend fort: Immer mehr Amerikaner zieht es in den Süden und Westen, während der Nordosten und Mittelwesten verlieren. Da die Einwohnerzahl und ihre Verteilung die Zusammensetzung des Kongresses in Washington beeinflusst, verändert die Volkszählung auch die Zahl der Sitze, die den Staaten im Bundesparlament zustehen.

Das wiederum verändert die Landkarte etwa für die Kongresswahlen im November. So kann beispielsweise Texas vier Abgeordnete mehr als bisher im Abgeordnetenhaus beanspruchen. Florida gewinnt zwei, während New York und Ohio jeweils zwei weniger haben werden. 14 weitere Staaten gewinnen oder verlieren ebenfalls je einen Abgeordneten. Zu den Gewinnern rechnen die südlichen bzw. südwestlichen Staaten South Carolina und Georgia, Arizona, Nevada und Utah, zu den Verlierern Illinois, Massachusetts und New Jersey.

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