Russlands Tag

Standpunkt von Detlef D. Pries

  • Lesedauer: 2 Min.

Staatsfeiertag in Russland. Die meisten Russen wissen laut Umfragen zwar nicht, was am 12. Juni zu feiern wäre (eigentlich eine Unabhängigkeitserklärung von 1990), freuen sich aber über einen weiteren arbeitsfreien Tag. Die unversöhnliche Opposition dagegen hatte zum »Marsch der Millionen« gegen den Wiedereinzug Wladimir Putins in den Kreml aufgerufen. Millionen waren es bei Weitem nicht, die dem Ruf folgten, und die befürchteten - mancherorts vielleicht erhofften - gewaltsamen Zusammenstöße mit der Staatsgewalt blieben aus. Wer Russland auf dem Weg zum Polizeistaat oder längst dort angekommen sieht, wird diesen Tag zumindest nicht als Beweis dafür anführen können.

Ja, gewiss: »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.« Was geschähe, wenn wirklich Millionen auf die Straße gingen, um die Einlösung der putinschen Modernisierungsversprechen zu fordern? Allein vom Verdienst, Russland stabilisiert und vor dem Sturz in weltpolitische Bedeutungslosigkeit bewahrt zu haben, kann der Wieder-Präsident nicht mehr lange zehren. Im weiten Russland herrschen noch viele Nöte. Erst bezahlbare Wohnungen, ein wirksames Gesundheitswesen, Bildungschancen für alle - nicht nur eine kleine städtische »Elite« - machen ein blühendes, modernes Russland, wie es Putin verheißt. Dazu gehören auch ein effektiver Kampf gegen die Korruption, die Gleichheit vor dem Gesetz - und schließlich die Beendigung der faktischen Einmannherrschaft. Der von den »Unversöhnlichen« ersehnte Sturm auf den Kreml wird das alles aber nicht bewirken.

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