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Furchtlose Italiener zittern sich weiter

Für die Italiener beginnt durch den 2:0-Sieg über Irland die EM in der Runde der letzten Acht neu

  • Manuel Schwarz, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Italien musste bei der EM lange zittern - nun soll der Weg in Polen und der Ukraine nicht zu Ende sein.

Nach dem erlösenden Einzug ins Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft überboten sich alle Italiener in Zurückhaltung - nur Plappermaul Antonio Cassano machte keinen Hehl aus dem neuen Selbstbewusstsein der Azzurri. »Jetzt kann jeder kommen. Wir haben vor niemandem Angst«, tönte der Angreifer vom AC Mailand nach dem 2:0-Zittererfolg im letzten Vorrundenspiel gegen Giovanni Trapattonis Iren. In der Heimat scheinen Fans und Medien von der wiedergewonnenen Stärke der Mannschaft überzeugt. Der »Corriere dello Sport« titelte am Dienstag: »Das ist das Italien, das wir lieben!«

Dabei hatte die Squadra Azzurra am Montagabend in Posen nicht nur 90 Minuten plus Nachspielzeit zu überstehen. Erst als das entscheidende 1:0 der Spanier im zeitgleichen Spiel gegen Kroatien feststand, konnten Cassano und Co. jubeln. »Wir hatten alle ein bisschen Angst«, gab Routinier Andrea Pirlo zu. Fünf Punkte aus drei Spielen bescherten dem viermaligen Weltmeister den zweiten Platz in der Gruppe C hinter Spanien. Alle Verschwörungstheorien über Absprachen zwischen Spanien und Kroatien waren schnell vergessen. »Diese Qualifikation haben wir uns verdient«, betonte Daniele De Rossi.

Das Viertelfinale der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine soll es aber noch nicht gewesen sein. Italien ist Turnierspezialist. Nach schwachem Beginn wussten sich die Azzurri in der Vergangenheit bei Turnieren immer wieder phänomenal zu steigern - siehe die Weltmeisterschaften 1982 und 1994. »Solche Spiele schenken einem immer diese besonderen Emotionen«, erzählte Gianluigi Buffon nach dem Sieg über stets kämpfende Iren. Der Erfolg war zwar hochverdient, nach der Führung durch Cassano (35.) aber lang nicht gesichert. Erst Joker Mario Balotelli (90.) sorgte für Gewissheit.

Wild gejubelt haben Italiens Kicker nach dem Schlusspfiff zunächst nicht, weil ein mögliches Remis im parallelen Spiel noch das dramatische Aus bedeutet hätte. Der ausgewechselte Cassano etwa kniete nervös neben der Bank, Trainer Cesare Prandelli mahnte seine Schützlinge zur Zurückhaltung. Erst als der glückliche Erfolg von Weltmeister Spanien durchgesagt wurde, durften sich die erleichterten Profis unter der Tribüne der Tifosi feiern lassen.

»Vielleicht hatten wir es nur nötig, Selbstvertrauen zu gewinnen«, meinte Italiens Trainer Prandelli und lobte vor allem die moralische Stärke seiner Spieler: »Die Qualität kommt eh' immer zum Vorschein, aber wenn du nicht dein Herz rein steckst, tust du dich einfach schwer.« Einzig die Muskelverletzung von Abwehrroutinier Giorgio Chiellini, der sogar länger ausfallen könnte, trübte die Euphorie.

Wille, Leidenschaft, Aufopferung - alles Tugenden, die Prandelli seit seinem Amtsantritt 2010 predigt. Nach dem starken 1:1 gegen Spanien und dem enttäuschenden 1:1 gegen Kroatien war die Partie gegen die Iren vor allem eine Charakterfrage. »Es war wichtig, uns selbst ein Signal zu geben«, meinte der Trainer, der sich an kein so nervenaufreibendes Match erinnern konnte. »Das sind typisch wir«, erklärte Keeper Buffon. »Gegen die Besten der Welt spielen wir auf Augenhöhe, gegen die vermeintlich Schwachen tun wir uns schwer.«

Vor allem weil nach Antonio Di Natale nun auch die Sturmkollegen getroffen haben, könnte das Spiel entscheidend sein für größere Harmonie im Team. Der exzentrische Balotelli, der trotz seines Tores mit riesigen Kopfhörern schweigend an den neugierigen Journalisten vorbeilief, wurde etwa für seine Reservistenrolle entschädigt. »Ist doch egal, wer die Tore schießt«, sagte Pirlo.

Solche Probleme hätte die irische Nationalmannschaft gerne. Nach drei Pleiten und nur einem geschossenen Tor mussten die sympathischen Außenseiter samt ihrer stimmgewaltigen Anhänger chancenlos die Heimreise antreten. »Ich bin erschüttert«, resümierte Verteidiger Richard Dunne. »Wir haben so lange auf dieses Turnier warten müssen - das ist ein Desaster!« Mannschaftskollege Kevin Doyle sah das Ausscheiden weniger dramatisch. »Für viele waren dies die ersten Erfahrungen bei einem großen Turnier. Wir werden unsere Lehren daraus ziehen. Ich habe es dennoch genossen.«

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