»Wir sind das Gesicht der Lufthansa«

Gespräch mit einem Lufthansa-Flugbegleiter und engagierten Gewerkschafter der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation UFO

  • Lesedauer: 3 Min.
MARCO R. arbeitet seit elf Jahren als Flugbegleiter bei der Lufthansa und ist von Beginn an in der UFO organisiert. Über die Stimmung im Konzern und die Gründe für den harten Arbeitskampf sprach mit ihm JÖRG MEYER.

nd: Haben Sie jetzt in der laufenden Auseinandersetzung schon mit gestreikt?
MARCO R.: Das hat sich noch nicht ergeben. Am Freitag bin ich von einem Langstreckenflug zurückgekommen und wollte nach 13 Stunden Schicht nach Hause. Aber es war ein Gebot der Solidarität, dass ich noch eine Stunde bei den Kollegen gestanden habe.

Welche Resonanz haben Sie erlebt?
Als unsere Gäste auf dem langen Heimflug wach geworden waren, stand schon fest, dass Frankfurt bestreikt wird. Wir haben sie sofort informiert, dass sie mit Einschränkungen werden rechnen müssen. Die Reaktionen gingen von Unverständnis bis Wohlwollen, mit allen Abstufungen.

Wie gehen Sie damit um, wenn einem Passgier der Kragen platzt?
Ich musste mir am Freitag ein paar Anfeindungen gefallen lassen, als ich in Uniform dann mit dem Zug nach Hause gefahren bin. Es gab feindselige Blicke, ein, zwei Leute haben mich auch angesprochen und abschätzig behandelt. Da waren eine Menge Kunden von uns, auch viel fliegende Kunden. Ich nehme das auf, ich schreie nicht zurück und ich versuche - das ist ja auch ein Teil meines Jobs - einfach das sachlich richtig zu stellen, was mir sachlich falsch entgegengebracht wird. Ich habe mich aber auch mit Vielfliegern unterhalten, die in der Sache durchaus verstehen können, was wir wollen, auch wenn der Streik sie sehr nervt.

Was hat sich in den letzten Jahren so verändert, dass die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter streiken?
Das Controllertum hat Einzug gehalten.

Das müssen Sie erklären.
Es wird jede Zahl dreimal gewendet, und dreimal geguckt, wo man noch etwas einsparen kann. Das ist eine Frage der Betriebskultur. Die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Weber und Mayrhuber waren charismatische Persönlichkeiten, die verstanden haben, die Belegschaft mitzunehmen. Man hat versucht, mit uns zu sprechen. Und das beziehe ich durchaus jetzt nicht nur auf die Flugbegleiter. Wir sind zwar mit rund 19 000 die größte Einzelarbeitnehmergruppe in der Lufthansa, aber der Konzern hat 110 000 Mitarbeiter.

Was ist die besondere Rolle der Flugbegleiter?
Wir sind das Gesicht der Lufthansa, wir sind am Kunden, denn unser Hauptgeschäft ist der Transport von Passagieren von einem Punkt zum anderen. Wir sind die ersten, die angesprochen werden, wenn Dinge gut sind, aber auch, wenn Dinge schlecht laufen. Und wir versuchen das alles an die entsprechenden Stellen weiterzugeben. Aber es wird nichts von dem aufgenommen, was wir sagen - obwohl es doch ungefiltert von den Kunden kommt. Stattdessen werden Maßnahmen von oben implementiert. Das frustriert. Was auch ärgert ist, dass wir als Belegschaft für Managementfehler in Gruppenhaftung genommen werden.

Den Spartengewerkschaften wird immer wieder Egoismus vorgeworfen. Wie finden Sie das?
Nehmen wir die AviationPower, die Leiharbeitsfirma der Lufthansa. Wir haben an die Kolleginnen und Kollegen einen Brief geschrieben, in dem es heißt: Wir streiken nicht gegen Euch, sondern wir möchten, dass ihr zu den gleichen Bedingungen arbeiten könnt wie wir, und wir kämpfen für den Erhalt unserer Jobs. Ich wünsche mir als solidarischer Mensch auch, dass die Bodendienstleister von der WISAG zu vernünftigen Bedingungen arbeiten können.

Dieser Arbeitgeberaufschrei seit Jahren, dass die Spartengewerkschaften verboten gehören, kotzt mich wirklich an. Streik ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, aber auch die Ultima Ratio. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem du nicht mehr weiter verhandeln kannst. Das heißt, du musst das grundgesetzlich verbriefte Recht des Arbeitskampfes nutzen. Und das machen wir.


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