First Lady lädt die Wahlkanone

Michelle Obama watscht Mitt Romney ab, ohne ihn zu erwähnen

  • Gregor Waschinski (AFP), Charlotte
  • Lesedauer: 4 Min.
Angeführt von Michelle Obama haben die US-Demokraten zum Auftakt ihres Parteitags den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney als politischen Wendehals ohne Bezug zur Mittelschicht gebrandmarkt.

Im rosafarbenen Kleid steht Michelle Obama auf der Bühne und schildert die Lebensgeschichte von sich und ihrem Mann Barack, es ist eine Geschichte des sozialen Aufstiegs. Die emotionalen Anekdoten über das US-Präsidentenpaar sollen Sympathie wecken, haben aber zugleich einen wohl kalkulierten Hintergrund. Die Rede der First Lady ist der Höhepunkt einer geschickt choreografierten Attacke auf den republikanischen Kandidaten Mitt Romney am ersten Abend des Parteitags der Demokraten in Charlotte.

Nicht ein einziges Mal nimmt Michelle Obama vor den 15 000 Parteianhängern in einer Sportarena am Dienstagabend (Ortszeit) das Wort »Romney« in den Mund. Doch die Biografie des Multimillionärs aus einer Unternehmerfamilie ist das Gegenbild, wenn die First Lady über ihren Vater spricht, den Arbeiter in einem Wasserwerk in Chicago. Wenn sie von Barack Obamas alleinerziehender Mutter erzählt, »die Schwierigkeiten hatte, die Rechnungen zu bezahlen«. Wenn sie die finanziellen Hilfen erwähnt, ohne die sich das Präsidentenpaar eine Ausbildung an der Universität nie hätte leisten können.

»Barack und ich wuchsen in Familien auf, die nicht viel Geld und materiellen Besitz hatten«, sagt sie. »Barack kennt den amerikanischen Traum, weil er ihn gelebt hat - und er will, dass alle in diesem Land die gleichen Chancen haben.« Der Subtext hier: Statt Aufstiegsmöglichkeiten für die breite Bevölkerung zu bieten, schiele Romney lieber auf Steuergeschenke für Millionäre wie sich.

Michelle Obama muss auf den Herausforderer ihres Mannes gar nicht konkret eingehen, das haben die Redner vor ihr erledigt. »Mitt Romney kapiert es einfach nicht«, ruft der demokratische Nachwuchsstar Julian Castro, nachdem er seinen eigenen Aufstieg aus einfachen Verhältnissen geschildert hat. Der 37-jährige Bürgermeister der texanischen Millionenstadt San Antonio erzählt genüsslich, wie Romney einer Studentin an einer Universität in Ohio empfohlen habe, sich einfach Geld bei ihren Eltern zu leihen und ein Unternehmen zu gründen. »Er hat keine Ahnung, wie gut er es hatte«, sagt Castro.

Der Ex-Gouverneur von Ohio, Ted Strickland, kritisiert Romney dafür, als Manager bei der Investmentfirma Bain Capital Profit über Arbeitsplätze gestellt zu haben. »Wenn Mitt der Weihnachtsmann wäre, würde er die Elfen feuern und das Lager auflösen«, sagt er.

Der Gouverneur des Bundesstaates Maryland, Martin O'Malley, stichelt derweil, dass »Schweizer Bankkonten niemals amerikanische Jobs geschaffen« hätten. Der führende Demokrat im Senat, Harry Reid, erinnert an Romneys Zurückhaltung bei der Veröffentlichung von Steuerunterlagen: »Vertrauen entsteht durch Transparenz, und Mitt Romney mangelt es an beidem.«

Sogar aus dem Grab muss sich Romney Kritik anhören. In einem Video kommt der verstorbene Senator Ted Kennedy in Archivaufnahmen zu Wort, es sind Ausschnitte aus einer TV-Debatte von 1994. Romney versuchte damals, Kennedy den Senatssitz für Massachusetts abzunehmen. In dem Zusammenschnitt nimmt der erfahrene Kennedy den jungen Romney auseinander, hält ihm seine wechselnden politischen Positionen vor. Das Publikum in der Arena in Charlotte johlt bei jedem verbalen Treffer, den der »Löwe des Senats« landet.

Die Ehefrauen der US-Präsidentschaftskandidaten spielen in Wahlkämpfen eine entscheidende Rolle. »Die Amerikaner glauben, dass diese Frauen ein Zeugnis über ihren Mann ablegen können«, sagt Catherine Allgor, Geschichtsprofessorin an der University of California und Autorin eines Buches über die Gattinnen der US-Präsidenten. Aus der Art, wie sich der Kandidat im Familienleben verhält, zögen sie Rückschlüsse auf seinen Charakter als möglicher Präsident.

Michelle Obama ist zum Auftakt des Parteitags, auf dem ihr Gatte offiziell in das Rennen um eine zweite Amtszeit geschickt wird, noch mehr gelungen. Sie hat nicht nur Sympathien für den Amtsinhaber geweckt. Sie hat zugleich eine Demontage des Herausforderers mit freundlichem Lächeln abgeschlossen.

US-Staatsverschuldung übersteigt 16 Billionen

Washington (AFP/nd). Zum Beginn des Wahlparteitags der US-Demokraten hat die Staatsverschuldung der USA die Marke von 16 Billionen Dollar überstiegen. Die Republikaner nutzten den neuen Schuldenrekord, um Obama an sein Wahlversprechen zu erinnern, die Staatsschuld bis 2012 zu halbieren. Statt dieses Versprechen zu erfüllen, habe der Präsident ein »Ausgaben-Gelage« veranstaltet, so der Chef des Repräsentantenhauses, John Boehner.


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