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Rechtsberatung für Geflüchtete: »An der Grenze der Kapazitäten«
Wegen der Kürzungen im sächsischen Landeshaushalt ist die Lage von Vereinen, die Geflüchtete unterstützen, prekär
Der Haushaltsentwurf der schwarz-roten Minderheitsregierung Sachsens sah viele Kürzungen bei Förderprogrammen für die Rechtsberatung für Geflüchtete vor. Einige konnten Grüne und Linke verhindern. Wie ist auf dieser Basis die Lage der Initiativen und Vereine?
Ich habe mit dem Psychosozialen Zentrum für Geflüchtete des Mosaik e. V. gesprochen. Es hat nun die Aussicht, bis Ende 2026 mit gekürzten Mitteln weiter gefördert zu werden. Das ist erst mal eine Erleichterung. Gleichzeitig sind die Kolleg*innen sehr erschöpft vom Kämpfen an allen Fronten. Eigentlich braucht der Verein eine langfristige Förderung, damit seine Angebote erhalten und wirklich aufgebaut werden können. So geht es vielen Vereinen in Sachsen, die Zuschüsse aus Landesmitteln erhalten. Daneben gibt es noch aus Bundesmitteln finanzierte Asylverfahrensberatungen, die aber auch mit Kürzungen rechnen müssen.
Es gibt also weiter keine Sicherheit?
Nein. Es bleibt alles wie es ist. Die Träger müssen sich weiterhin immer neu auf Förderungen bewerben und um die Gelder bangen. Mit der Verhinderung von Kürzungen ist nur das Schlimmste abgewendet.
Anne Kämmerer ist Anwältin für Migrations- und Strafrecht in Leipzig und aktiv in der Regionalgruppe Ost des Republikanischen Anwält*innenvereins (RAV).
Was wäre die Konsequenz, wenn Beratungsstellen schließen müssten?
Sie sind mit ihren kostenlosen Angeboten eine erste Anlaufstelle, wo sich Menschen überhaupt über ihre Rechte informieren können. Das ist im Asylverfahren sehr wichtig. Die Ausländerbehörden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und auch das Sozialamt treffen viele falsche Entscheidungen, wie Gerichtsurteile zeigen. Zudem haben Geflüchtete viele besondere Bedarfe, die bei der Anhörung beim Bamf eine Rolle spielen. Viele sagen dort gar nicht erst, wenn sie beispielsweise Opfer von sexualisierter Gewalt oder queer sind, was einen Schutzstatus rechtfertigen würde und wo das Bamf geschulte Anhörende hinzuziehen müsste. Beratungsstellen wie der RosaLinde e.V. aus Leipzig können sich um diese Bedarfe kümmern, beispielsweise, indem sie psychosoziale Versorgung für queere Geflüchtete anbieten oder mit Sprachmittler*innen zusammenarbeiten, die entsprechend sensibilisiert sind und keine diskriminierende Sprache nutzen. Der Verein schafft überhaupt erst einen Raum für queere Geflüchtete, die sich hier vielleicht das erste Mal outen.
Warum gibt es keine dauerhaften Förderungen für die Beratungsstellen, obwohl diese das seit Jahren fordern?
Es gibt keine politische Mehrheit, die das anstrebt. In Deutschland nicht und erst recht nicht in Sachsen. Die politischen Stimmen, die sich für eine Verbesserung der Situation einsetzen, sind in der Minderheit. Aktuell heißt es eher, akute Verschlimmerungen abzuwenden. Es wurden in den vergangenen Monaten viele Gesetze beschlossen, die die Situation von Geflüchteten und Migrant*innen erschweren. Beispielsweise, dass der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt wird. Viele Menschen, die zum Beispiel in Beratungsstellen arbeiten, sind an der Grenze ihrer Kapazitäten. Wir müssen weiter darauf aufmerksam machen. Wenn wir das einfach hinnehmen, werden diese Verschlimmerungen zur neuen Normalität.
Sie haben sich als Ost-Gruppe des Republikanischen Anwält*innenverein (RAV) neu gegründet. Beobachten Sie Ost-West-Unterschiede in der Kürzungspolitik?
Über die Kürzungen in westdeutschen Bundesländern kann ich nicht viel sagen. Aber ich habe den Eindruck, dass es Kürzungen gerade überall gibt. Allerdings sind die Verhältnisse verschieden. Im Osten sind gerade die Anfeindungen gegen Initiativen für Demokratie und Toleranz akut, viel krasser als in Westdeutschland. Die Menschen, die in den Vereinen arbeiten, müssen damit leben, dass sie komisch angeschaut werden, oder sogar um ihre Sicherheit fürchten, wie man an dem Anschlag auf das Bündnis »Buntes Meißen« kürzlich gesehen hat. Gerade auf dem Land erfordert es viel Mut, sich für Geflüchtete und für Weltoffenheit einzusetzen.
In weniger als zwei Jahren wird der nächste Doppelhaushalt 2027/28 verhandelt. Was könnte uns da erwarten?
Das kommt darauf an, wie es mit Sachsens Minderheitsregierung von CDU und SPD weitergeht. Sie brauchen weiter die Stimmen von Grünen und der Linken oder vom BSW. Wir können nur hoffen, dass auch in den nächsten Haushaltsverhandlungen das Schlimmste verhindert wird.
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