»Ich bin zufrieden - zu 99 Prozent«

Schwimmer Sebastian Iwanow über begeisternde Paralympics, Streits und fehlende Förderung in Deutschland

  • Lesedauer: 3 Min.
SEBASTIAN IWANOW erzählte auf dem nd-Pressefest von seinem Traum vom paralympischem Gold. In London schwamm er nun zu Silber und Bronze. Morgen kommt er nach Hause - begeistert von den Spielen. Mit ihm sprach OLIVER HÄNDLER

nd: Herr, Iwanow, Glückwunsch zu zwei Medaillen. Es waren Ihre dritten Spiele, vergleichen Sie mal London mit Athen und Peking!
Iwanow: Die Stimmung war auf jeden Fall in London am besten. Auch über die Organisation kann man nichts Schlechtes sagen. Hat alles funktioniert, so wie es sein sollte.

Was war Ihr persönlicher Höhepunkt der Paralympics?
Die Rennen. Vor allem meins über 100 Meter Rücken am ersten Tag, als ich unerwartet die Bronzemedaille gewann. Die 100 Meter Freistil mit Silber waren auch super. Aber da waren meine Erwartungen an mich selbst hoch.

Auf dem nd-Pressefest gaben Sie als Ziel noch den Sieg über die Freistilstrecke aus. Immerhin waren Sie hier 2010 Weltmeister.
Ich wollte gewinnen, doch es hat nicht geklappt. Der Chinese Xu Qing ist einfach sehr stark und ich konnte leider nicht mithalten. Silber ist doch auch noch sehr gut. Man kann nicht immer gewinnen. Ich bin trotzdem sehr zufrieden, nicht 100-prozentig, aber zu 99 Prozent. Und so ist noch Potenzial nach oben für die nächsten Jahre.

Zuschauer und Athleten schienen allerorts begeistert. Blieb da überhaupt Zeit für Enttäuschung?
Ich war gar nicht wirklich enttäuscht, denn ich hatte ein sehr gutes Rennen abgeliefert. Es hat riesigen Spaß gemacht, hier zu schwimmen, denn die Zuschauer waren enthusiastisch und fair.

Es gab einige Diskussionen über das Zusammenlegen von Klassen. Auch in Ihrem Rennen starteten Sportler wie Sie ohne Unterschenkel gegen Athleten mit fehlenden Armen. Wie groß ist Ihr Vertrauen in faire Verhältnisse?
Allgemein ist es gut, dass man nicht zu viele Klassen hat, weil die Starterfelder sonst zu klein werden. Dann fehlt die Konkurrenz, und spannende Rennen machen Sport ja erst interessant. Ich denke aber auch, dass das relativ alte System der Entwicklung von Schwimm-, Start- und Wendetechniken angepasst werden muss. Generell ist es fair, doch bei den 50 Metern etwa, fällt in der Einteilung der Start zu wenig ins Gewicht. Diejenigen mit sprungkräftigen Beinen können besser starten und haben einen Vorteil. Zu denen gehöre ich leider nicht.

Bei den Leichtathleten werden Weiten in Punkte umgerechnet. Wäre das eine Lösung?
Nein, es ist immer besser, wenn derjenige, der zuerst anschlägt, auch gewinnt, und nicht wegen einer Umrechnung noch verliert. Auch die Punktewertung würde noch keine Fairness garantieren.

Bei den Leichtathleten warf Sprinter Wojtek Czyz Teamkamerad Heinrich Popow technisches Doping vor. Wie war denn die Stimmung im deutschen Team?
Generell war sie gut. Ich komme mit Wojtek und Heinrich gut klar, die beiden miteinander nur leider nicht. Ich weiß auch nicht, ob Wojteks Aussage korrekt ist. Mit Prothesen kenne ich mich nicht aus. Beim Schwimmen wird mehr über Klassifizierungen geredet. In jeder Sportart kommt so mal Streit auf.

Außenstehende interessiert der Streit kaum. Sie staunen eher über Schwimmer ohne Arme oder blinde Fußballer. Wundern Sie sich selbst auch noch hier und da?
Ich sehe die anderen Sportarten sonst auch nicht oft, sie werden ja nicht übertragen. Für mich sind sie auch faszinierend, weil überall sehr gute sportlichen Leistungen geboten werden. Es macht riesigen Spaß da zuzugucken.

Ist Rio 2016 ein Ziel für Sie?
Das hängt von der Förderung ab. In Deutschland kann ich vom Sport nicht leben. In anderen Ländern geht das. Um konkurrenzfähig zu sein, muss man aber sehr viel und hart trainieren. Da muss ich mich fragen, ob ich das mit meinem Studium vereinbaren kann.

Sponsoring hängt auch mit medialer Aufmerksamkeit zusammen. Von Ihnen existiert nun ein Wikipedia-Eintrag. Spüren Sie Bewegung auf dem Gebiet?
Zumindest in England waren die Zuschauer großartig. Wenn das in Deutschland nur ansatzweise so war, haben wir einen großen Schritt nach vorn gemacht.

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