Sündenfall & Fegefeuer

TV-Tipp: »Weltenbrand«

Hitler lässt ihn nicht los. Obwohl dieser im Ersten Weltkrieg nur vier Tag »Frontschwein« war, ansonsten Meldegänger und Lazarettinsasse, hatte ihn Guido Knopp zu einer zentralen Figur im ersten Teil seines neuen Geschichtsdramas erkoren: »Weltenbrand«, ein Achtteiler, in dem Erster und Zweiter Weltkrieg als Dreißigjähriger Krieg der Moderne geschildert werden und mit dem der ZDF-Historiker den Abschied vom aktiven Dienst einläutet.

»Sündenfall« war der dem Jahr 1914 am vergangenen Dienstag gewidmete erste Teil betitelt - als wenn das blutige Gemetzel über die Völker gekommen sei wie die Versuchung über Adam und Eva im Paradies. Die Kriegsschuldfrage wird eingangs kurz angesprochen, von Sönke Neitzel, Lehrstuhlinhaber an der London School of Economics: Lange Zeit habe man nur Berlin verantwortlich gemacht, jetzt würden auch die anderen genannt, also Wien, Paris, London.

Dass alle imperialistischen Staaten diesen Krieg wollten, war seit Anbeginn nicht nur marxistischen Historikern und Publizisten klar. Die treibende Kraft war dennoch Deutschland. Auch wenn es nicht, wie von Linken gern behauptet, die Alleinschuld trug - was der DDR-Historiker und renommierte Weltkrieg-I-Spezialist Fritz Klein (gest. 2011) immer wieder betonte.

Auch keine sensationell neue Erkenntnis offenbart der Satz: »Ohne den Ersten Weltkrieg wäre der Zweite nicht denkbar.« Von der »Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts« sprach erstmals der US-Diplomat George F. Kennan, aufgegriffen und zum Bildungsgut erhoben von Eric Hobsbawm in seinem Buch »Zeitalter der Extreme«, in dem - im Gegensatz zur Knoppschen Dokumentation - auch die wirtschaftlichen Interessen der europäischen Stahl- und Rüstungsindustrie benannt wurden.

Der erste Teil des »Weltenbrandes« reflektierte die patriotische Begeisterung, vor allem in Deutschland. Die Massenproteste am Vorabend, auch gegen die den großen Waffengang vorbereitenden Balkankriege 1912/13, kommen bei Knopp nicht vor. Dafür fehlt es nicht an weiteren biblischen Sequenzen und Sentenzen: »Wie durch ein Wunder« überlebt Bernard Montgomery, der einstige britische Kolonialoffizier in Indien, damals noch fast so unbekannt wie der Gefreite A. H., einen eigentlich tödlichen Schuss. Zu den Wundern des ersten Teils gehört Weihnachten in Flandern 1914, als britische und deutsche Soldaten gemeinsam »Stille Nacht, heilige Nacht« sangen; mehr als 30 solcher Fälle sind von der Westfront dokumentiert. Biblisch geht es auch heute weiter - mit dem »Fegefeuer« vor Verdun.

Eine technisch beachtliche Leistung hat Knopps Team mit der Colorierung der fast 100-jährigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen erbracht. Indes, so wird der »Weltenbrand« zum beschaulichen Event, was man sich in erneut kriegerischer Zeit nicht wünscht.

Heute ZDF, 20.15 Uhr, 2. Teil; Buch zur Serie: »Weltenbrand« (Pendo, 272 S., geb., 19,99 €).

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