Grollen in Wiesbaden

Bildungspolitik bringt Schwarz-Gelb in Bedrängnis

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Im schwarz-gelb regierten Hessen gibt es große Unzufriedenheit mit der Schulzeitverkürzung an Gymnasien. Vor allem in der CDU wird mancher nervös, denn das Thema könnte die Landtagswahl 2013 entscheiden.

Ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl ist in Hessen eine zunehmende Entfremdung in der CDU-FDP-Koalition zu verspüren. So registrierte der Grünen-Abgeordnete Matthias Wagner bereits »Auflösungserscheinungen« bei der Koalition und ein »erhebliches Grollen« über den bildungspolitischen Kurs der Landesregierung.

Tatsächlich hat die anhaltende Unzufriedenheit über die Schulzeitverkürzung in Gymnasien von neun (G9) auf acht Jahre (G8) hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Ein mit heißer Nadel gestrickter Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von CDU und FDP sieht vor, dass 30 Gymnasien in Hessen künftig in einem Modellversuch G8 und G9 gleichzeitig anbieten sollen. Doch von »Wahlfreiheit« könne keine Rede sein, kritisierten die Abgeordneten Heike Habermann (SPD) und Barbara Cárdenas (LINKE). Schließlich seien viele Kinder im Flächenland auch künftig von G9 ausgeschlossen, wenn die entsprechende Schule weiter entfernt sei als ein G8-Gymnasium und die Fahrtkosten für den Schulweg nicht erstattet würden.

Risse auch in der CDU

Eine vorsichtige Abkehr von G8 hatte Regierungs- und CDU-Landeschef Volker Bouffier bereits im Juni ohne Absprache mit FDP-Kultusministerin Nicola Beer angekündigt. Bouffier weiß, dass Schulpolitik in Hessen wahlentscheidend sein kann. So trug Unzufriedenheit bei Lehrern und Eltern 1999 zur Abwahl von SPD-Regierungschef Hans Eichel bei. Dass die CDU unter Roland Koch 2008 aus der absoluten Mehrheit heraus um 13 Prozent abstürzte, war auch Folge von G8.

Als Alternative zu G8 bieten die Oppositionsparteien unterschiedliche Konzepte an. So will die LINKE G8 komplett rückgängig machen. Die SPD will für Oberstufenschüler die Möglichkeit schaffen, flexibel in zwei bis vier Jahren zum Abitur zu kommen. Dass die Grünen mit der Forderung nach Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 der Koalition am nächsten stehen, nährt Spekulationen über ihre Annäherung an die CDU. Denn eine Neuauflage der CDU/FDP-Koalition ist angesichts des Schwächelns der FDP unwahrscheinlich.

Deutliche Risse in der ansonsten monolithisch wirkenden CDU wurden jetzt auch auf einer anderen bildungspolitischen Baustelle sichtbar. So führte ein von der FDP vorangetriebener Gesetzentwurf zur Überführung der bestehenden 15 regionalen Schulämter in ein zentrales Landesschulamt zu ungewohnt deutlichem Ungehorsam unter den Christdemokraten. Etliche von ihnen blieben Anfang September demonstrativ einer Landtagsabstimmung fern, der CDU-Abgeordnete Hans-Jürgen Irmer trat von der Funktion als schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion zurück.

Fast wortgleicher Entwurf

Alte Kalte-Krieger-Reflexe legte die CDU in dieser Woche an den Tag, als sie sich weigerte, einem Gesetzentwurf der Linksfraktion zur Erhöhung der Grunderwerbssteuer von 3,5 auf fünf Prozent zuzustimmen. Dies löste Verwunderung und Kopfschütteln aus, zumal alle Fraktionen sowie der CDU-Finanzminister zuvor bereits Zustimmung zum Begehren der LINKEN signalisiert hatten. Weil rechte CDU-Hardliner jedoch »keine Gemeinsamkeit mit Kommunisten« dulden, zauberten CDU und FDP überraschend einen nahezu wortgleichen eigenen Gesetzentwurf aus dem Hut, verpassten ihm mit ihrer Mehrheit die Priorität und überwiesen ihn in erster Lesung an den Ausschuss zur Beratung.

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