Was ist zwölf Jahre nach ihrem Verschwinden übrig von der DDR? Ein paar Ampelmännchen an der Kreuzung, ein vergilbender Pionierausweis in der Rumpelkiste, eine Leninbüste als Dekoration in einer Kneipe. Und - die Menschen. Wer in diesem Land geboren wurde und dort aufwuchs, den hat die DDR unweigerlich geprägt. Doch die Herausforderungen des neuen Alltags, das Einstellen auf ein gänzlich anderes Leben im vereinten Deutschland lassen die alte Heimat nach und nach verblassen. Was bleibt, ist ein Gefühl der inneren Verbundenheit, eine verklärte Sehnsucht, die Erinnerung. Zwischen zwei Jahrestagen - dem 53. der DDR-Gründung und dem 12. ihres Anschlusses an die BRD - zeigt Sat.1 am Sonntag eine Dokumentation, die sich auf Spurensuche begibt.
Die Autoren Falko Korth (Jahrgang 1964) und Thomas Riedel (Jahrgang 1970) haben für ihren Film »Busen, Broiler und Bananen« Archive nach Originaltönen und -bildern aus der vergangenen Zeit durchstöbert und Menschen vor die Kamera geholt, die wie sie in der DDR groß geworden sind: den Handballer Stefan Kretzschmar, die Nachrichtensprecherin Angelika Unterlauf, die Sängerin Nina Hagen, den Gitarristen »Flake« Lorenz (»Feeling B«, »Rammstein«), die Schauspielerin Claudia Schmutzler (»Für alle Fälle Stefanie«) und die Psychologin Kareen Handrick, die 1978 14-jährig die weibliche Hauptrolle im DEFA-Film »Sieben Sommersprossen« spielte.
Kurios anmutende Aufnahmen von Gedichte rezitierenden Jungpionieren, gewollt unprüden Aufklärungssendungen im Fernsehen, Werbesequenzen für die DDR-Jugendmode oder der Parteispitze zujubelnden Blauhemden wechseln sich mit den erzählten Rückblicken der Protagonisten ab, die nach der Wende ihre Rolle in der neuen Gesellschaft gefunden haben und ihre DDR-Vergangenheit dennoch nicht missen wollen. Ihre sehr persönlichen Erinnerungen hauchen den propagandistisch unrealistischen Archivbildern Leben ein und rufen den Zwiespalt zwischen verordneter Gemeinschaft und individuellen Lebenswegen ins Gedächtnis, den wohl jeder DDR-Bürger mehr oder weniger intensiv gespürt hat.
Da wirkt es fast symbolisch, wenn die Moderatorin der Sexualkunde-Sendung »Sie und Er und 1000 Fragen« das Problem eines Ehepaares, »dass er oft und starkes sexuelles Verlangen hat, sie dagegen selten und schwaches« mit dem »medizinischen Fachbegriff der sexuellen Bedürfnisdiskordanz« erklärt. Die Riten des politisierten Lebens in der DDR standen in einer deutlich spürbaren und dennoch vom Staat verdrängten »Diskordanz« zu den Wünschen vieler Bürger nach einer Teilhabe am Genuss westlicher Waren und unbegrenzter Bewegungsfreiheit. Mit wissenschaftlichen und ideologischen Phrasen konnten diese Widersprüche nicht ausgeräumt werden.
Die Befürchtung, dass sich hinter dem banal reißerischen Filmtitel »Busen, Broiler und Bananen« nichts als eine oberflächliche DDR-Satire verbirgt, können Korth und Riedel ausräumen. Weder erhobene Zeigefinger noch ostalgisch kitschige Sentimentalität überwiegen in ihrer Dokumentation, auch wenn sie ganz ohne Klischees nicht auskommt. Die Quintessenz des Films aber ist, dass der Alltag in der »Diktatur« DDR menschlich und harmonisch sein konnte, solange man sich seine Freiheiten nahm und die Mauern - so möglich - ignorierte. »Schweden war für mich so weit weg wie der Mond«, sagt Musiker Flake, »und man sagt ja nicht, ich bin nicht frei, weil ich nicht auf den Mond kann«.
»Busen, Broiler und Bananen«. Sat.1, Sonntag, 6. Oktober, 22.15 Uhr
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