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Streit um Straßenzeitungen

Verwaltungsgericht lässt Vertrieb auf öffentlichen Plätzen vorerst zu

  • Martin Höxtermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Dürfen in Karlsruhe Straßenzeitungen auf öffentlichen Plätzen verkauft werden? Die baden-württembergische Stadt sagt nein, Zeitungsmacher und Parteien protestieren. Nun soll die Justiz entscheiden.
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat dieser Tage der Pressefreiheit in einem vorläufigen Beschluss einen Weg gebahnt: Bis auf weiteres kann man auch in Karlsruhe Obdachlosenzeitungen kaufen. Wie lange noch, ist allerdings ungewiss. Die »Karlsruher Straßenzeitung« erhielt am 14.Februar Post vom Amt für Bürgerservice und Sicherheit (BuS). Darin kündigte das Amt eine Vereinbarung mit dem Blatt, das bis dato den Verkauf auf öffentlichen Plätzen ohne Sondernutzungserlaubnis gestattet hatte. Aus Sicht der Stadt sei der »Verkauf von Obdachlosenzeitungen auf eine Stufe zu stellen mit dem Verkauf anderer regionaler oder überregionaler Zeitungen«, mithin »gewerbsmäßig«. Ließe man den Zeitungs-Straßenverkauf generell weiter zu, könnten auch andere Zeitungen gewerbsmäßig mit Gewinnabsicht auf der Straße angeboten werden, so die Sorge von BuS-Chef Dieter Behnle. Der Gemeindliche Vollzugsdienst werde mit Unterstützung des Polizeipräsidiums Karlsruhe für die Durchsetzung dieser Regelung sorgen. Empört über das Verbot und die angeführten Begründungen zeigten sich die Zeitungsmacher. »Wir sind ein Verein, und als solcher haben wir uns verpflichtet, keinen Gewinn zu machen. Und daran halten wir uns auch«, versichert Chefredakteur Helge Prase gegenüber ND. Eine Zeitungsausgabe kostet 1,60 Euro. »80 Cent davon gehen als Verdienst an die Verkäufer, die, wie in anderen Städten auch, strenge Auflagen haben: kein Alkohol während des Verkaufs, kein Betteln, kein Ansprechen von Passanten.« Die restlichen 80 Cent flössen an den Verein zurück, um anfallenden Ausgaben wie Druckkosten und Büromiete zu begleichen. Ohne Verkaufsmöglichkeiten bliebe die Redaktion auf der frisch gedruckten Februar/März-Ausgabe sitzen. Dies wäre nach 18 Ausgaben das Ende der Straßenzeitung. Gegen den Beschluss hatte die Redaktion Klage beim Karlsruher Verwaltungsgericht eingereicht. Und kann vorerst aufatmen. Denn in einem Schreiben vom 27. Februar teilte das Gericht mit, dass die Stadt bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung »keine Vollzugsmaßnahmen« gegen die Verkäufer des Blattes ergreifen werde. »Das Aussetzen des Vollzugs geschah auf Bitten des Gerichts und ist in Eilverfahren üblich«, sagte Gerichtssprecherin Christine Warnemünde auf ND-Anfrage. Wann mit einem Beschluss zu rechnen ist, konnte Warnemünde nicht sagen. Bis dahin heißt es für die Karlsruher Blattmacher: Verkaufen, was das Zeug hält. Denn eine Auflage von 3000 Exemplaren muss an den Mann gebracht werden. Inzwischen erhält das Projekt breite Unterstützung. So kritisierte die sozialpolitische Sprecherin der Karlsruher grünen Gemeinderatsfraktion, Christa Caspari, den sozialpolitischen Skandal und die »polizeiliche Machtdemonstration«. Das Verkaufsverbot müsse sofort zurückgenommen werden. Auch der Bundesverband Sozialer Straßenzeitungen hat sich eingeschaltet. In einem Brief an Karlsruhes Oberbürgermeister Heinz Fenrich (CDU) bittet der Vorsitzende Reinhard Kellner darum, der Initiative »die Möglichkeit zu geben, sich in Ihrer Stadt präsentieren zu können«. Denn soziale Straßenzeitungen böten Menschen in sozialer Not die Möglichkeit eines Zusatzverdienstes sowie verschiedene Beratungs- und Hilfsangebote.

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