Donaudelta in Gefahr

Ukrainische Regierung will einen riesigen Kanal bauen

  • Tom Kirschey und Tatiana Kotenko
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenige Tage nach der 5. Ministerkonferenz »Umwelt für Europa« der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN-ECE) in Kiew, auf der man auf Initiative Deutschlands auch zwei Protokolle zur verstärkten Beteiligung der Öffentlichkeit im Umweltbereich verabschiedete, wurden abseits jener Öffentlichkeit die Planungen zum Bau einer zentralen Schifffahrtsrinne durch das Donau-Delta abgeschlossen.
Europas Wasserstraßenplaner träumen seit langem von der so genannten Nordroute vom Atlantik und Baltikum über die Donau zum Schwarzen Meer. Abgesehen von der in Deutschland inzwischen heiß diskutierten Frage, ob Binnenschiffe überhaupt noch förderungswürdig sind, würde die Realisierung dieser Planung mit massiven Eingriffen in das Ästuar Bystroje in der Schutzzone des grenzübergreifenden UNESCO-Biosphärenreservats Donaudelta einhergehen. Ein Dekret zur Ausgliederung des Ästuars Bystroje - des nördlichen, die ukrainisch-rumänische Grenze bildenden Arms des Donaudeltas - aus dem Schutzgebiet soll der ukrainische Verkehrsminister Gennadij Kirpa bereits vorbereitet haben. Zwar holte man Stellungnahmen von Experten zu den ökologischen Auswirkungen ein, ob deren Argumente gegen den Ausbau des Ästuars aber berücksichtigt wurden, scheint mehr als fraglich.
Dabei hat die UN-ECE-Ministerkonferenz in Kiew das Protokoll über die so genannte strategische Umweltprüfung (Strategic Environmental Assessment = SEA) beschlossen. SEA trägt dazu bei, dass planerische Entscheidungen wie Verkehrs- oder Bebauungsprojekte, die einen Rahmen für spätere Genehmigungen setzen, auf ihre Umweltauswirkungen untersucht werden. Hierbei sollen Öffentlichkeit und Behörden gemeinsam wirken. Doch anstelle dessen wurde die Zuständigkeit für das Vorhaben dem Vorsitzenden des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Eugen Martschuk übertragen. Anlass hierfür war der im November gefasste Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Wilkowo gegen den Kanal. Seit Jahresbeginn äußerte sich auch die lokale Bezirksregierung ablehnend, es gibt Hunderte Appelle, Petitionen und Protestschreiben lokaler Politiker. Die Kritiker lehnen eine Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen nicht völlig ab. Kern des Streits ist die vom Verkehrsministerium vorgesehene Trassierung durch das Feuchtgebiet von Internationaler Bedeutung nach der Ramsar-Konvention. Im Ästuar Bystroje soll die Fahrrinne vertieft werden. Damit bringen nicht nur weiträumige Veränderungen des gesamten Wasserregimes im Delta und eine Gefährdung der Wasserver- und Abwasserentsorgung der Stadt Wilkowo. Experten halten die Maßnahme auch für wirtschaftlich und technologisch fragwürdig. Jährlich transportiert die Donau 65Millionen Tonnen feine Schwebepartikel ins Schwarze Meer, die vor der Küste sedimentieren. Die Fahrrinne müsste entweder ständig neu vertieft werden, um die Befahrbarkeit zu gewährleisten, oder ein künstliches Abflussregime müsste die Fahrrinne ständig durchspülen. Das hätte ebenfalls massive Auswirkungen aufs Delta. Die regionale Fischereiwirtschaft, die weit über 20 Prozent des Wirtschaftsaufkommens stellt, würde durch den weiträumigen Verlust der Nahrungsreviere und Laichhabitate der Fische zusammenbrechen. Gewässerökologen der Umweltschutzorganisation PECHENEG berechneten, dass die jährliche Fangmenge um 19 Tonnen bei Süßwasserfisch und 80 Tonnen bei Meeresfisch zurückginge. Bei der kleinbetrieblichen Struktur der örtlichen Fischer verlören einige hundert Familien ihre Haupteinnahmequelle. All dies ist noch vorsichtig geschätzt. Wanderfischarten wie der Donauhering (Alosa pontica), von dem derzeit allein in der Ukraine 90 Tonnen jährlich gefangen werden, laichen zum Teil ausschließlich im Ästuar Bystroje. 257 Vogelarten beherbergt das Delta. Im ukrainischen Teil brüten bis zu 60 Paare des Krauskopfpelikans und 800 Paare der Zwergscharbe. Beide Arten gelten als weltweit gefährdet.
Auch botanisch hat das Delta einiges zu bieten. Von den 950 Gefäßpflanzenarten sind 80 Prozent Wasser- und Uferpflanzen. Viele von ihnen sind an ein natürliches Flutregime gebunden. Ein Trockenfallen weiter Bereiche des Deltas würde die Vegetation massiv beeinträchtigen und ihre ökologische Funktion als Biofilter unterbinden. Der Bau des Kanals würde der Eutrophierung des Schwarzen Meeres Vorschub leisten und damit letztlich die Wasserqualität im Bereich der ukrainischen Badestrände verschlechtern.

Weitere Infos unter: www.seu.ru/projects/eng/dunay

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