- Wirtschaft und Umwelt
- Flüsse1
Donaudelta in Gefahr
Ukrainische Regierung will einen riesigen Kanal bauen
Dabei hat die UN-ECE-Ministerkonferenz in Kiew das Protokoll über die so genannte strategische Umweltprüfung (Strategic Environmental Assessment = SEA) beschlossen. SEA trägt dazu bei, dass planerische Entscheidungen wie Verkehrs- oder Bebauungsprojekte, die einen Rahmen für spätere Genehmigungen setzen, auf ihre Umweltauswirkungen untersucht werden. Hierbei sollen Öffentlichkeit und Behörden gemeinsam wirken. Doch anstelle dessen wurde die Zuständigkeit für das Vorhaben dem Vorsitzenden des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Eugen Martschuk übertragen. Anlass hierfür war der im November gefasste Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Wilkowo gegen den Kanal. Seit Jahresbeginn äußerte sich auch die lokale Bezirksregierung ablehnend, es gibt Hunderte Appelle, Petitionen und Protestschreiben lokaler Politiker. Die Kritiker lehnen eine Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen nicht völlig ab. Kern des Streits ist die vom Verkehrsministerium vorgesehene Trassierung durch das Feuchtgebiet von Internationaler Bedeutung nach der Ramsar-Konvention. Im Ästuar Bystroje soll die Fahrrinne vertieft werden. Damit bringen nicht nur weiträumige Veränderungen des gesamten Wasserregimes im Delta und eine Gefährdung der Wasserver- und Abwasserentsorgung der Stadt Wilkowo. Experten halten die Maßnahme auch für wirtschaftlich und technologisch fragwürdig. Jährlich transportiert die Donau 65Millionen Tonnen feine Schwebepartikel ins Schwarze Meer, die vor der Küste sedimentieren. Die Fahrrinne müsste entweder ständig neu vertieft werden, um die Befahrbarkeit zu gewährleisten, oder ein künstliches Abflussregime müsste die Fahrrinne ständig durchspülen. Das hätte ebenfalls massive Auswirkungen aufs Delta. Die regionale Fischereiwirtschaft, die weit über 20 Prozent des Wirtschaftsaufkommens stellt, würde durch den weiträumigen Verlust der Nahrungsreviere und Laichhabitate der Fische zusammenbrechen. Gewässerökologen der Umweltschutzorganisation PECHENEG berechneten, dass die jährliche Fangmenge um 19 Tonnen bei Süßwasserfisch und 80 Tonnen bei Meeresfisch zurückginge. Bei der kleinbetrieblichen Struktur der örtlichen Fischer verlören einige hundert Familien ihre Haupteinnahmequelle. All dies ist noch vorsichtig geschätzt. Wanderfischarten wie der Donauhering (Alosa pontica), von dem derzeit allein in der Ukraine 90 Tonnen jährlich gefangen werden, laichen zum Teil ausschließlich im Ästuar Bystroje. 257 Vogelarten beherbergt das Delta. Im ukrainischen Teil brüten bis zu 60 Paare des Krauskopfpelikans und 800 Paare der Zwergscharbe. Beide Arten gelten als weltweit gefährdet.
Auch botanisch hat das Delta einiges zu bieten. Von den 950 Gefäßpflanzenarten sind 80 Prozent Wasser- und Uferpflanzen. Viele von ihnen sind an ein natürliches Flutregime gebunden. Ein Trockenfallen weiter Bereiche des Deltas würde die Vegetation massiv beeinträchtigen und ihre ökologische Funktion als Biofilter unterbinden. Der Bau des Kanals würde der Eutrophierung des Schwarzen Meeres Vorschub leisten und damit letztlich die Wasserqualität im Bereich der ukrainischen Badestrände verschlechtern.
Weitere Infos unter: www.seu.ru/projects/eng/dunay
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.