Suggestiv und unausgewogen

Warum sehen Millionen die ARD-Parapsychologie-Reihe »Dimension PSI«?

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Können Menschen allein durch die Kraft ihres Geistes Materie bewegen? Können sie Gedanken lesen? Endet das Leben mit dem Tod? Gibt es Dämonen, den Teufel? Bislang war in Deutschland vornehmlich das Privatfernsehen für die Behandlung solcher Fragen zuständig und wurde dafür mit hohen Einschaltquoten belohnt. So mag es kaum überraschen, dass nun auch die gebührenfinanzierte ARD ihre Liebe zur Parapsychologie entdeckt hat. »Dimension PSI« heißt die sechsteilige Dokumentation, die noch bis zum 22.Dezember immer montags um 21.45 Uhr im Ersten zu sehen ist. Zwar sei es »politisch überhaupt nicht korrekt«, den parapsychologischen Zweifeln Raum zu geben, sagt ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann, aber gerade darin liege der Reiz des Themas. Zumal in sämtlichen Folgen - anders etwa als bei der Serie »Akte X« - die Aufklärung im Vordergrund stehe. Dies beteuert namentlich der Fachberater der Sendung, der Physiker und (Para-)Psychologe Walter von Lucadou, der als Deutschlands prominentester Spukberater gilt. Doch bereits die Auftaktfolge »Rätselhafte Kräfte«, die vor einer Woche über die Bildschirme ging, wurde diesem Anspruch nicht gerecht. Denn nicht Aufklärung war es, was die knapp drei Millionen Zuschauer geboten bekamen, sondern eine suggestive Aneinanderreihung vermeintlich beweiskräftiger Beispiele für Psychokinese - für die Fähigkeit einzelner Menschen, allein mit Geisteskraft Gegenstände zu bewegen. Kritik ließ nicht lange auf sich warten. »Mit dieser Sendung leistet die ARD als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt - entgegen ihrem Auftrag - Vorschub für Pseudowissenschaft und Scharlatanerie«, erklärt der Geschäftsführer der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) Amardeo Sarma. Ein schwerer Vorwurf - doch scheint er berechtigt. Denn welches Prädikat sonst wäre für eine Sendung geeignet, die den »Löffelbieger« Uri Geller ohne jeden kritischen Kommentar als Kronzeugen aufruft? Geller verliert seine »übernatürlichen« Kräfte immer dann, wenn professionelle Zauberer anwesend sind. Dabei hat der US-Magier James Randi eine Million Dollar für denjenigen ausgelobt, der seine paranormale Fähigkeiten im Experiment unzweifelhaft unter Beweis stellt. Dass Geller diese Herausforderung scheut, ist verständlich. Denn eine Einzelbilduntersuchung seiner früheren Fernsehshows hat ergeben, dass die Löffel, die er angeblich mit übernatürlichen Kräften zerbrach, chemisch vorpräpariert waren. Während die Autoren des Films dies verschweigen, erklären sie an anderer Stelle, dass die jüngst an der renommierten Princeton University registrierten PSI-Phänomene nicht mehr wegdiskutiert werden könnten. Versuchspersonen hatten dort unter strenger Aufsicht allein durch Willenskraft das Verhalten von Zufallsgeneratoren beeinflusst. Selbst wenn die Daten dies nahe legen, was manche Forscher bezweifeln, dürfte hier nur eine statistische Anomalie vorliegen. Dafür spricht, dass in einer groß angelegten deutsch-amerikanischen Vergleichsstudie die in Princeton erhobenen PSI-Befunde nicht reproduziert werden konnten. Auch diese Information wird dem Zuschauer vorenthalten, und umso mehr drängt sich die Frage auf, wie eine solche Dokumentation im ARD-Programm überhaupt Platz finden konnte. Die Wissenschaftsredaktionen der vier beteiligten Sender (MDR, NDR, SR, WDR) haben daran zumindest keinen Anteil, denn die Serie wurde ohne ihre Beteiligung geplant. Verantwortlich für den Inhalt ist allein die in München ansässige MPR Film- und Fernsehproduktion GmbH, die - vermutlich auf Anraten von Lucadou - in der ersten Folge überwiegend Parapsychologen zu Wort kommen ließ. Auch der Berliner Physikprofessor und PSI-Kritiker Martin Lambeck ist über die Recherchemethoden der Sendereihe verärgert: »Ich hatte der Produktionsfirma ein etwa zweistündiges Interview gegeben.« Gesendet wurde bisher nur ein einziger Satz, der zumindest erklärt, warum sogar gestandene Wissenschaftler sich zuweilen von PSI-Demonstrationen beeindrucken lassen: »Trickser können nur durch Trickser entlarvt werden.« Oder besser noch durch Zauberer und Illusionisten, die - und das ist der Nachteil - nur sehr ungern ihre Tricktechniken verraten.
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