Grosny: Russische Truppen stürmten den Präsidentenpalast
Kreml lehnt Verhandlungen mit Dudajew ab
Grosny/Moskau/Strasbourg (dpa/Reuter/ND). Russische Truppen haben gestern den Präsidentenpalast in Grosny eingenommen und die russische Staatsfahne aufgezogen. Der Amtssitz des Tschetschenen-Präsidenten Dsnochar Dudajew war von dessen für die Unabhängigkeit kämpfenden Milizen seit Wochen erbittert verteidigt worden. Rußlands Präsident Boris Jelzin erklärte nach dem Fall des Palastes die militärische Phase der Operation für beendet.
Premier Viktor Tschernomyrdin lehnte es erneut ab, mit Dudajew zu verhandeln: „Mit Banditen sprechen wir nicht.“ Dudajew soll sich im südlichen Teil Grosnys aufhalten. Ein russischer General erklärte, die Hauptstadt werde in den nächsten Tagen „gesäubert“, die Bewaffneten in den Bergen würden von der Luftwaffe vernichtet. Hingegen kündigten Tschetschenen-Truppen an, den Kampf fortzusetzen. Den Präsidentenpalast habe man nur aufgegeben, um schwere Verluste zu vermeiden.
Unterdes hat Jelzin 4 Generale wegen ihrer Kritik am Tschetschenien-Krieg entlassen. In den Ruhestand versetzt wurde der Vizechef des Heeres, Eduard Worobjow, der es abgelehnt hatte, den Einsatz in Grosny zu leiten. Als Vize-Verteidigungsminister entlas-
sen wurde auch Boris Gromow, der 1989 den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan leitete und jetzt das Vorgehen im Kaukasus als „barbarisch“ bezeichnete.
Der Föderationsrat, die Regionenvertretung des russischen Parlaments, lehnte es gestern nach heftigen Debatten ab, das Vorgehen in Tschetschenien als ungesetzlich zu verurteilen. Jedoch wurde Jelzin aufgefordert, die Operation wieder in Einklang mit der Verfassung zu bringen.
Das Europaparlament forderte eine sofortige Feuereinstellung in Tschetschenien und will die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Rußland wegen der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen vorerst zurückstellen. Eine Parlamentsdelegation wird nach Moskau reisen.
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