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  • Kultur
  • „ y Der Schauspieler O. W., .Fischer wird 80 Jahre alt fff; ,“.-,-U t -«*J»

Bluntschli mit goldigem Herzen

  • Horst Knietzsc
  • Lesedauer: 3 Min.

Foto: dpa

Würde jemand auflisten, wieviele Österreicher über Jahrzehnte im deutschen Film als Schauspieler oder Regisseure glitzernde Sterne und Publikumslieblinge waren, der patriotische Illustriertenleser würde aus dem Grübeln nicht mehr herauskommen, wen alles er als „deutsch“ subsumiert hat.

Am 1. April 1915 wurde in Klosterneuburg bei Wien der Knabe Otto Wilhelm Fischer geboren. Als junger Mann und Zögling des Wiener Max Reinhardt-Seminars unterzog er

sich den harten Exerzitien der Bühne, stand schließlich auch auf den Brettern des Burg-Theaters, und in den dreißiger Jahren erhielt er schon erste Aufgaben beim Film. In den Fünfzigern schluckte ihn das deutsche Kino mit Haut und Haaren, jagte ihn durch die Niederungen trivialer Heimat-

filme. Gewehrt hat er sich nicht dagegen. Die kleinere Zahl anspruchsvollerer Rollen machten den gutaussehenden, immer ein wenig aristokratisch daherkommenden Österreicher vollends zum Liebling einer millionenfachen Klientel, vor allen der Frauen. Melodramen mit Seelchen Maria Schell, Blondchen Liselotte Pulver und Hoheit Ruth Leuwerik ließen vor 30, 40 Jahren die Kinokassen klingeln. Aus dem Füllhorn der Produktwerbung stürzten allein sieben Bambis auf O.W Fischer nieder.

Als Gigolo, nobler Schamane im weißen Kittel des Arztes, gestreßter Ehemann, unglücklicher Monarch, Millionendieb oder als unfreiwilliger „IM“ rivalisierender Geheimdienste, immer war er ein schauspielerisches Gütesiegel in der ersten Welle westdeutscher Heimatfilme. Er war aber auch nicht frei von Manierismen. Was ihm die Filmproduzenten an dramatischem Handwerk nicht abforderten, demonstrierte er im Rampenlicht der Bühne.

Dem Schauspieler Fischer wurde nachgesagt, er sei ein schwieriger Menschen, mit

seltsamen, einsamen Gedanken. Hat er gespürt, daß es Zeit war abzutreten, als die Träume und Sehnsüchte der ersten Nachkriegsgeneration im rauhen Wind der Marktwirtschaft zerstoben? Als 1968 in Europa die politischen Wogen hochschlugen, hielt er an einigen Universitäten Vorträge über Philosophie und Hypnose. Im Jahr 1970, mit 55, ließ er den Trubel der Welt mit ihren Konflikten und Konfrontationen hinter sich, igelte sich im Tessiner Dorf Vernate bei Lugano in seinem Castello dei Pescatori ein, in der „Fischerburg“ Er leistet es sich seitdem, über Gott und die Welt mit der Gelassenheit eines Privatgelehrten nachzudenken. Ob er herausgefunden hat, was die Welt zusammenhält, ist schwer zu sagen. 4ber, so meint er.- „Die Fähigkeit, Dinge zu ahnen, wächst.“ Doch die Wahrheit zu finden, das gelinge nur wenigen.

O. W Fischer hat zwischen 1936 und 1970 in 78 Kino-, Fernseh- und Porträtfilmen mitgewirkt, sich auch als Regisseur versucht („Hanussen“, 1955 und „Ich suche Dich“, 1956). Seine Popularität war außerordentlich und mit der eines Rühmann oder Heesters zu vergleichen. Eine seiner schönsten Rollen war die des schweizerischen Hauptmanns Bluntschli in dem nach der gleichnamigen Komödie von G.B. Shaw entstandenen Film „Helden“ (1958). Regisseur Franz Peter Wirth drehte diesen Film über einen Soldaten, der einem Gemetzel zwischen Bulgaren und Serben entflieht und Amouren mit einer schönen Frau (Liselotte Pulver) dem Tode auf dem Felde der Ehre vorzieht.

Das war zu einer Zeit, als in Ost und West lautstark die Säbel rasselten. Und die Helden in „Helden“ halten dagegen, rüsten zur gleichen Zeit ihre Vorbehalte immer mehr ab, lassen Vernunft und Liebe über Kriegerisches siegen. Ein sehenswerter Film, aber auch nur Traumfabrik, wie das meiste im Leben des O. W Fischer

HORST KNIETZSCH

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