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Ein Schreiber namens Schreiber

Constantin Schreiber will nicht mehr Sprecher der »Tagesschau« sein

»Alles hat seine Zeit – so steht es schon in der Bibel«, sagt Constantin Schreiber und verlässt die »Tagesschau«
»Alles hat seine Zeit – so steht es schon in der Bibel«, sagt Constantin Schreiber und verlässt die »Tagesschau«

Mit der »Tagesschau«, dem ARD-Flaggschiff, ist es auch so eine Sache: Je älter man wird, desto schlechter scheint sie zu werden. Es wiederholt sich zu viel. Das ist ähnlich wie mit der Musik oder im Sport. Immer wieder Beatles, Rolling Stones oder Madonna und Anverwandtes (Musik) oder immer wieder Bayern, Real oder Inter (Sport). Auf die »Tagesschau« gemünzt: Immer wieder USA, Russland, Nahost, eingebettet in die kapitalistische Dauerkrise.

Es ist komisch, dass man auch bei den schnellen Nachrichten das Gefühl hat, sie kehrten in Zyklen wieder. Das macht so eine Sendung lahm und deprimierend. Das liegt gar nicht daran, dass man alterskonservativ wird, wie oft gerne behauptet wird. Als ich noch jung und linksradikal war, kam mir diese Sendung viel besser vor.

Constantin Schreiber ist eventuell konservativ, aber so genau weiß man’s nicht, weil er darüber nicht spricht. Nein, er spricht seriös und untadelig die Nachrichten in der »Tagesschau« seit 2017. Doch jetzt macht der 45-Jährige am 25. Mai damit Schluss. »Alles hat seine Zeit – so steht es schon in der Bibel«, meint er.

Er hatte schon ein Leben vor der »Tagesschau«: Schreiber war Journalist bei der Deutschen Welle und NTV und berichtete über den Nahen und Mittleren Osten, denn er kann Arabisch sprechen. Berühmt wurde er aber bei der »Tagesschau« durch seine Nebenjobs in der Islamkritik, die damit nichts zu tun hatten, aber durchaus von seiner Prominenz als Sprecher unterstützt wurden.

Besondere Aufmerksamkeit erregten 2017 seine TV-Reportage über die Freitagsgebete in deutschen Moscheen und die darauf folgenden Bücher über den Islam und den Islamismus. Das hatte in Deutschland zwar etwas von Gratismut, aber muss man diese und andere Religionen verteidigen, weil man das mal im Religionsunterricht so gelernt hat? Glauben heißt nicht wissen, so sagten einmal die Linken um 1968.

Von Schreiber aber waren die Rechtsradikalen von der »Jungen Freiheit« (aber auch die sogenannten Liberalen von »Tagesspiegel«, »Zeit« und »Hamburger Abendblatt«) entzückt, als er 2021 einen Roman veröffentlichte, in dem er sich vorstellte, wie es wäre, wenn eine Muslima kurz davor wäre, Bundeskanzlerin zu werden. Der Hauptfigur von »Die Kandidatin« bekommt das nicht gut: eine Polizistin verübt auf sie ein Attentat, weil sie sozusagen das alte Deutschland retten will.

Dem Buch bekommt es aber auch nicht, es ist eine Art Michel-Houellebecq-Depri-Roman in schlicht. »›Die Kandidatin‹ ist ein politisches Hasspamphlet, das Angst vor Migranten schürt. Das hier Geschilderte ist möglich, es steht quasi vor der Tür, lautet die humorfreie Botschaft«, fasste die »Taz« damals den Roman zusammen. Verglichen damit wirkt die »Tagesschau« wieder ganz okay. Was wird die nächste »humorfreie Botschaft« ihres Sprechers sein?  

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