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Ungewollte Brüste mit Rechtsfolgen

Vor dem Dresdner Landgericht begann ein Pilotprozeß wegen Doping in der DDR

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Ney, fühlt sich nicht als Rechtsnachfolger, wenn es um den DDR-Sport geht. Folglich sei die Staatskasse auch nicht für den ehemaligen Gewichtheber Roland Schmidt zuständig, der sich als Dopingopfer sieht. Schmidt klagt gegen zwei Ärzte und den Staat vor der 6. Zivilkammer des Dresdner Landgerichts auf mindestens 15 000 Mark Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Ob der heute 33jährige, der 1975 beim SC Dresden begann, später drei Jahre Leistungssportler war und seine Laufbahn 1981 ohne besondere Erfolge beendete, mit seinen Forderungen durchkommt, wird die Urteilsverkündung am 21. Juni zeigen. Schmidts Heidelberger Rechtsanwalt Michael Lehner betrachtet das am Mittwoch eröffnete Verfahren als Pilotprozeß, der einer Reihe t #K#jterer M^nd#nten $en juristischen Weg weisen soll. Mög-

licherweise muß der Bundesgerichtshof um ein Grundsatzurteil bemüht werden.

Der aus dem Berendonk-Buch „Doping-Dokumente“ finanzierte Prozeß führte den Klägern aber bereits am Anfang die Unzulänglichkeit des eigenen Vorgehens vor Augen. Denn einerseits behauptete Schmidt, erst 1994 durch einen Fernsehbeitrag den Zusammenhang zwischen Anabolika und Gesundheitsschäden erfaßt und daher erst jetzt geklagt zu haben. Andererseits verweist die Klageschrift auf ein Gespräch zwischen Schmidt und dem Sportarzt Theodor Härtel 1981, in dem Härtel eine ebensolche Diagnose gestellt habe.

Der Zeitpunkt der Ende 1994 eingereichten Klage veranlaßt den Dortmunder Medizinrechtsexperten Martin Rehborn, der den mitbeklagten Chefarzt des DDR-Gewichtheber-Verbandes, Hans-Henning Lathan, vertritt, zu i> )J^,.F ;< es|; Stellung, die Verj ähmng sei* b%

reits eingetreten. Legt man das DDR-Staatshaftungsrecht zugrunde, weil die Ärzte in staatlichem Auftrag tätig waren, beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr, ansonsten nach Zivilgesetzbuch der DDR vier Jahre. Diese Fristen ließ Schmidt auch nach dem Ende der DDR verstreichen.

Die Anwälte Schmidts berufen sich auf mögliche Ausnahmefälle, da sich die Ärzte durch Verschweigen der Nebenwirkungen des Medikaments der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht hätten. Schmidt wuchsen nach Ende seiner Sportlerkarriere weibliche Brüste, die 1983 operativ entfernt wurden, aber zwei fünf Zentimeter lange Narben hinterließen.

Härteis Anwalt Prof. Werner Queißer erinnerte daran, daß sich der beinahe volljährige Schmidt freiwillig zu einem Training, bereit. eridäri.Aabji, dessen * -Ziel. Höchstleistung

war. Das „unterstützende Mittel“ sei im übrigen keine Geheimdroge, sondern das im volkseigenen Betrieb „Jenapharm“ produzierte Medikament Oral-Turinabol gewesen, das auch durch gewöhnliche ärztliche Verordnung zu erhalten war Härtel betonte, er habe -im Einführungsgespräch die ihm bekannten Risiken des Präparats erwähnt. Ob Schmidt selbst stets die richtige Dosierung angewandt habe, wisse er natürlich nicht.

Die Kläger dagegen fühlen sich als Aufarbeiter eines staatskriminellen Dopingprogramms. Wer sich jedoch in die Niederungen der Fakten begibt, wird eher zu grundsätzlichen Fragen an den modernen Hochleistungssport überhaupt motiviert. Im vorliegenden Fall „geht's um Rechtsfragen“, betonte Richter Voigt. Und die sind wie meistens kompliziert.

? ? MARCEL BRAUMANN, Dresden

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