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Polizeiarzt mit der „wirksamsten“ Pille

  • Lesedauer: 3 Min.

Am 23. August wurden ein Euskirchener Arzt und drei Apotheker aus dem Erftkreis festgenommen. Gegen sie wird wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, Körperverletzung mit Todesfolge und Körperverletzung ermittelt. Der Mediziner Reinhard Jansen, pikanterweise auch Polizeiarzt, stand in dem Ruf, die wirksamsten Schlankheitspillen zu verschreiben.

Jansen rezeptierte eine Mischung, die u.a. ein starkes

Entwässerungsmittel, Schilddrüsenhormone, Appetitzügler und einen blutzuckersenkenden Wirkstoff enthielt. Die Grundmischung hatte er vermutlich von einem Arzt aus Belgien, dem die Approbation in der BRD entzogen wurde.

Die drei ebenfalls beschuldigten Apotheker betrieben nahe Euskirchen die Pharmafirma „Biopharma / Herbamed“ und stellten darin das Schlankheitsmittel her. Das Geschäft florierte. Allein der Euskirchener Arzt hat seit 1993 etwa 60 Rezepte, jeweils 60 Pillen für 95 Mark, pro Tag ausgestellt.

Der Skandal weitete sich innerhalb weniger Tage dramatisch aus. Am 28. August verhafteten die Ermittlungsbehörden den Düsseldorfer Arzt Dr. Horst M. Sie beschlagnahmten in Praxis und Wohnung des Sportmediziners Patientenunterlagen und Pillen. Auch der galt bei Abmagerungswilligen als Geheimtip. Eine Patientin: „Für 120 Kapseln mußte ich 500 Mark- bezahlen, bar über den Tisch. Was in den Pillen drin ist, wurde mir , nicht erklärt.“ Sie schluckte das Präparat: „Ich litt danach unter starker Konzentrationsschwäche und dauerndem Schwindelgefühl. Manchmal konnte ich sogar meine Füße nicht mehr spüren.“ Der Düsseldorfer Mediziner ist bislang als einziger geständig. Er gab an, diese Ppräparate aus Belgien vertrieben zu haben. Offenbar hatte der Euskirchener Mediziner die Rezeptur auch von Coesens. Aber auch in Belgien wurde dem „Wunderdoktor“ der Boden bald zu heiß, er ging nach Luxemburg. Die Luxemburger haben diese Praxis am 31. August durchsucht. Coesens ist flüchtig.

Seine illegalen Pillen vertrieb zumindest eine Kölner Haus-

frau per Post gegen Nachnahme, deren Wohnung durchsucht wurde. Außer Tausenden Schlankmacher-Kapseln fand die Polizei auch säckeweise Interessenten-Adressen aus dem ganzen Bundesgebiet. Die Frau verschickte zwischen 80 und 100 Nachnahmepakete mit den belgischen Diätpillen pro Woche. Auf die Spur kamen die Ermittler, weil die Post in einigen Fällen diese Pakete nicht zustellen konnte Und sie öffnete. Daraufhin wurde das Gesundheitsamt eingeschaltet.

Inzwischen ermitteln die Behörden auch in Berlin und Koblenz. Ein Polizeisprecher teilte am 31. August mit, daß in Berlin gegen eine Ärztin und einen Apotheker Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Es bestehe der Verdacht, daß weitere vier Mediziner und Apotheker in Berlin verwickelt sind. Der Sprecher betonte allerdings, die Berliner Diät-Pillen seien „nicht so gefährlich, wie die aus Euskirchen und Belgien“ Todesgefahr bestehe nicht. In Koblenz wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft 25 Verfahren eingeleitet. Auch in München und Kiel wird ermittelt.

Die Frage ist, dürfen solche Medikamente überhaupt hergestellt werden? Dazu sagt Dr. Karl-Heinz Munter, Leiter der Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer: „Grundsätzlich kann der Arzt verschreiben, was er will. Er muß nur die Folgen verantworten können.“ Und genau das machen offenbar einige Mediziner sehr gründlich: Ein Arzt schreibt die Mischung aufs Rezept, der Apotheker stellt das Ganze dann her Das Arzneimittelgesetz verpflichtet Ärzte und Apotheker dazu, keine gesundheitsgefährdenden Mittel

zu vertreiben. Aber eine Kontrolle findet praktisch nicht statt. Die sogenannte „Therapiefreiheit des Arztes“ unterliegt nicht den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes. Er hat das Recht auf einen Heilversuch mit einem von ihm selbst zusammengestellten Präparat. Und Medikamente, die nur für einen bestimmten Patienten zusammengestellt werden, unterliegen nicht der Zulassungspflicht. Diese recht-* liehe Lücke nutzen Ärzte als Handlungsspielraum.

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