Geheime Schließsachen ums Kabelwerk Schönow
Am Montag ließ sich die KWO-Geschäftsführung erstmals im bedrohten Brandenburger Betrieb sehen
Von JÖRG STAUDE
Kalt getroffen wurde der Betriebsrat des KWO Kabelwerks in Schönow am 24. Oktober. Auf einer turnusgemäßen Beratung eröffnete die KWO-Geschäftsführung plötzlich, daß der brandenburgische Standort mit 130 Beschäftigten und 80jähriger Tradition geschlossen werden muß - innerhalb des nächsten halben Jahres. Seitdem sind der Ort und die Niederbarnimer Region in Aufregung. Bisheriger Höhepunkt war eine Montagsdemo der besten Art zur evangelischen Kirche des Ortes Mitte November.
Vierzehn Tage vor dem 24. Oktober habe man mit der Geschäftsführung noch über Beschäftigungsgarantien verhandelt. „Schönow war da kein Thema“, erinnert sich die Betriebsratsvorsitzende Silvia Stolzer. Vor zweieinhalb Jahren war KWO von der britischen BICC Cables übernommen worden - und fast ebensolange forderten Belegschaft und Betriebsrat Konzepte, die über die Stichworte Personalanpassung und Sozialplan hinausgehen. In Schönow, wo Kabel und Leitungen für 600 bis 1000 Volt Stromspannung gefertigt werden, waren einst knapp 600 beschäftigt, in der gesamten KWO bei der Übernahme über 2000, jetzt sind es nur noch einige hundert. 4,1 Millionen Mark steuerte die öffentliche Hand für die Modernisierung von Schönow bei.
Die Belegschaft fühle sich als „Bauernopfer“ für das Berliner Werk in Oberschöneweide, sagt Silvia Stolzer. Bei einer Schließung von Schönow und dem Verkauf des Betriebsgeländes könnte noch soviel rausspringen, vermutet sie, um Oberschöneweide über Wasser zu halten. Klarheit darüber sollte auf einer Betriebsversammlung am 27. Oktober geschaffen werden, die Geschäftsführung erschien nicht. IG Metall und Betriebsrat wollten deren Erscheinen dann gerichtlich erzwingen, aber das Arbeitsgericht in Eberswalde hatte keine Eile beim Entscheiden. Als die KWO-Chefetage aber am vergangenen Freitag eine Betriebsversammlung der Schönower am Berliner KWO-Sitz zu befürchten hatte, brachte das Gericht plötzlich eine Eilentscheidung
zustande - und untersagte die Versammlung.
Am gestrigen Montag gab es den nächsten Versuch: Diesmal erschien die KWO-Führung nahezu vollzählig in Schönow und bekam entsprechend „Feuer“ von der Belegschaft. An der Sachlage indes hat sich nicht viel geändert. Die IG Metall erneuerte ihr Angebot, nochmals - zusammen mit Betriebsrat und Geschäftsführung - mit der Landesregierung zu reden, um die Kabelproduktion in Schönow zu erhalten. Zwecks Hilfen und Unterstützung für Schönow war die IG Metall - auf Wunsch der KWO-Führung - schon vor Wochen mal im Potsdamer Wirtschaftsministerium vorstellig geworden. Der Gewerkschaft war da allerdings bewußt verheimlicht worden, daß das Aus für Schönow schon längst beschlossene Sache war.
Die Heimlichtuerei der KWO-Bosse spricht Bände. Die Schönow-Akte im Brandenburger Wirtschaftsministerium sollen eine Menge Vermerke zieren, wie dringliche Anfragen an die KWO-Chefetage bereits in den Vorzimmern abgewimmelt wurden. Bisher kamen nur Ge-
spräche mit der KWO-Aufsichtsratschef zustande, bei dem diesen jede Hilfe beim Erhalt der Arbeitsplätze in Schönow zugesagt wurde. Landeswirtschaftsminister Burkhard Dreher hat es bis heute aber nicht geschafft, bei der Treuhand-Nachfolgerin BVS wegen dem KWO-Privatisierungsvertrag vorstellig zu werden.
Dies taten Ende vergangener Woche die beiden Barnimer PDS-Parlamentarier Dagmar Enkelmann aus dem Bundestag und Ralf Christoffers aus dem Potsdamer Landtag. Der KWO-Vertrag rangiert als eine derart geheime Schließsache, daß die beiden Abgeordneten nicht selbst hineinsehen durften, sondern nur Auskünfte auf Fragen erhielten. Soviel wurde trotzdem klar: Die Garantien der BICC für Arbeitsplätze und Investitionen bei KWO sind längst ausgelaufen, es bestehen aber noch „vertragliche Beziehungen“ zwischen der BVS und BICC, wie Dagmar Enkelmann nach der „Einsichtnahme“ sagte. Welche „Beziehungen“ das sein könnten, darüber muß sie sich ausschweigen. Die Politikerin hatte zwischenzeitlich vom Chairman der BICC Cables ein Fax
mit der lapidaren Begründung erhalten, die Schließung von Schönow liege in den „schwierigen Problemen begründet, mit denen die Kabelherstellungsindustrie in Deutschland konfrontiert ist.“
Gewerkschafter, die sich in der Treuhand-Szene auskennen, meinen, daß es sich bei den bestehenden „vertraglichen Beziehungen“ nur um eine sogenannte Spekulationsklausel handeln könne. Diese soll verhindern, daß Käufer Treuhandbetriebe vorzeitig plattmachen, um mit dem Grund und Boden Immobiliengeschäfte zu tätigen. Gibt es eine solche Klausel, müßte BICC Gewinne aus Immobilienverkäufen in Schönow an die BVS abführen - wovon weder die Briten noch die Schönower etwas hätten. Vorstellbar wäre deswegen, daß Schönow aus dem KWO-Verbund herausgelöst und von neuem „privatisiert“ wird. Als KWO samt Schönow zum Verkauf anstand, habe es für den brandenburgischen Standort „mehrere Kaufinteressenten“ gegeben, erinnert sich auch die Betriebsratschefin Stolzer. Vielleicht läßt sich einer der Abgewiesenen reaktivieren?
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