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  • Politik
  • Vor 50 Jahren: Die Truman-Doktrin

Macht-Egoismus

  • Klaus Jaschinski
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist eine folgenreiche Botschaft, die am 12. März 1947 Präsident Truman an den Kongreß in Washington richtet. Er nimmt zur Lage im Mittelmeerraum Stellung und ersucht um Zustimmung, Griechenland und der Türkei eine 400-Millionen-Dollar-Hilfe im Kampf gegen den Kommunismus zu gewähren. Verpackt war dies in Form einer Grundsatzerklärung, einer Doktrin, mit der die USA in den Kalten Krieg eintraten.

Bereits im Sommer 1941 hatte der republikanische Verleger H.R. Luce in einem Leitartikel des Journals LIFE den Anbruch des »amerikanischen Jahrhunderts« proklamiert und argumentiert, daß es nunmehr an den USA sei, als mächtigste und vitalste Nation die Führung in der Welt zu übernehmen. Un-

mittelbar nach dem Kriegseintritt der USA gab dann auch Präsident Roosevelt die Losung aus, daß man nicht nur den Krieg, sondern auch den darauf folgenden Frieden gewinnen wolle. Mit diesem Gedanken konnten sich nahezu alle Fraktionen innerhalb der herrschenden Kreise der USA anfreunden. Strittig war zum Ende des Krieges nur, wie diese Führungsrolle wahrgenommen und behauptet werden sollte; ob primär mittels Kooperation, wie es die Charta der Vereinten Nationen gebot, oder Konfrontation, um Kontrahenten abzuschrecken.

Als Rivale amerikanischer Weltgestaltungspläne wurde vor allem die Sowjetunion angesehen. Sie gewann im Gefolge des Sieges über die Achsenmächte beträchtlich an Ansehen und Einfluß. Doch das Feindbild Sowjetunion in der Öffentlichkeit glaubhaft zu präsentieren, wo man gerade gemeinsam den Faschismus

niedergerungen hatte, erwies sich weit schwieriger, als es zu kreieren. Schon Ende 1945 wollte Truman öffentlich die Spaltung der Welt in zwei Lager konstatieren und für eine härtere Gangart im Verhältnis zur Sowjetunion plädieren. Berater rieten ihm ab, u.a. mit Hinweis darauf, daß man in der Bevölkerung eine solch rapide Wendung kaum verstehen würde. Schon Winston Churchill, der am 5. März 1946 mit seiner Rede in Fulton quasi den Auftakt zum Kalten Krieg gegeben hatte, hatte das zu spüren bekommen. Das Echo in der amerikanischen Öffentlichkeit auf Churchills Rede veranlaßte Truman zur Beteuerung, er habe vom Inhalt dieser vorab nichts gewußt.

Obwohl man in Moskau erkannte, daß einflußreiche Kreise in den USA auf eine Verschlechterung im sowjetisch-amerikanischen Verhältnis zusteuerten, hielt man am Dialog fest. Um so intensiver versuchte London, wo man um eigenen Einfluß in Ost- und Südeuropa bangte, die USA in klare Frontstellung gegen die Sowjetunion zu drängen. Für die dann zunehmende Bereitschaft in der Sowjetunion, sich auf ein Kräftemessen einzu-

lassen, dürften die Enttäuschung, von den Westmächte nicht als gleichberechtigte Weltmacht akzeptiert zu werden, wie auch sicherheitspolitischer Egoismus in Bezug auf die Nachbarstaaten eine Rolle gespielt haben. Man glaubte, sicherheitspolitische Ziele aus der Vorkriegszeit nun durchsetzen zu können und zu müssen, was im Fall Iran der Sowjetunion im Januar 1946 sogar eine Klage vor der UNO einbrachte. Hinzu kam, daß Moskau ähnlich wie London nicht von ungefähr eine Aufarbeitung und Abrechnung mit dem, was im Vorfeld und während des Krieges ablief, fürchtete. Auch erschien es verlockend, den im Krieg gefestigten Zusammenhalt des Vielvölkerstaates durch neue Feindbilder zu konservieren. Welche Erwägungen in London, Washington und Moskau auch immer zum Eintritt in den Kalten Krieg bewogen, sie gereichten den Nationen zum Nachteil. Für den US-Journalisten Walter Lippmann stand schon 1947 fest: »Wir werden den höchsten Irrtum mächtiger Staaten wiederholen - zu denken, daß Macht ein Ersatz für Diplomatie ist und daß absolute Macht absolute Sicherheit gibt.«

10. März 1872: Guiseppe Mazzini, italienischer Freiheitskämpfer, in Pisa gestorben. Er verkündete die Brüderlichkeit aller Nationen und ihr Selbstbestimmungsrecht, wurde mehrere Male eingekerkert und mußte viele Jahre im Exil leben.

10. März 1947: In Moskau treffen sich die Außenminister der noch alliierten Mächte: USA, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion. Der Vorschlag des sowjetischen Außenministers, durch freie Wahlen eine gesamtdeutsche Regierung und einen deutschen Staat nach Weimarer Muster zu schaffen, wird abgelehnt.

10. März 1967: Stalins Tochter Swetlana nutzt eine Reise nach Indien zur Flucht in den Westen und erhält Asyl in den USA.

12. März 1957: Richard Evelyn Byrd in Boston gestorben. Er überflog 1926 den Nordpol und 1929 den Südpol.

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