Das letzte konfuse Jahr

Caesar und die rettende Kalenderreform 45 v.Chr.

  • Ronald Schumacher
  • Lesedauer: 6 Min.
Wie viele Tage hat ein Kalenderjahr? In der Quiz-Show »Wer wird Millionär« des Günther Jauch wären folgende Antworten möglich - A: 355 Tage B: 365 Tage C: 377 Tage D: 378 Tage. Der Kandidat hätte ein unlösbares Problem. Denn alle vier Antworten sind möglich. Das Jahr 46 v. Chr. war sogar noch viel länger. Der Grund: Der römische Kalender war in völlige Unordnung geraten. Kalenderangaben und realer Jahresverlauf klafften bereits seit langem beträchtlich auseinander. Die Ursache für dieses Ärgernis war, dass die Römer seit Alters her den Mondkalender benutzten. Die Länge eines Mondjahres, d.h. der zwölfmalige vollständige Umlauf des Mondes um die Erde, beträgt 354,36 Tage. In einem Mondkalender konnte diese Zeitspanne in sechs Monate mit je 29 Tagen und sechs Monate mit je 30 Tagen aufgeteilt werden. Damit war dieser Mondkalender aber um rund 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr (365,2422 Tage). Das bedeutete, dass ein Datum im Verlaufe von 33 Jahren sich einmal durch alle Abschnitte eines Jahres bewegte. Im frühen republikanischen Rom unterteilte man die 355 Tage des Mondkalenders in zwölf ungleich lange Monate. Das Jahr begann mit dem Monat März, Martius (nach Kriegsgott Mars). Diese Zählung zeigt sich noch heute deutlich in den Bezeichnungen beispielsweise für die Monate September (»7«), October (»8«), November (»9«) und December (»10«). Andere Monatsbenennungen wiesen auf den religiösen Ursprung des Kalenders hin. Der September hatte übrigens 29 Tage, der Oktober 31, der November und der Dezember wiederum jeweils 29 Tage. Um die Differenz von 11 Tagen pro Jahr auszugleichen, nahm man einen vierjährigen Sonnenzyklus von 1465 Tagen zu Hilfe und fügte in jedes zweite Jahr einen Schaltmonat von 22 Tagen und in jedes vierte Jahr einen Schaltmonat von 23 Tagen ein. Das durchschnittliche Kalenderjahr rechnete man nun mit 366,25 Tagen. Das bedeutete schon eine verbesserte Genauigkeit zum reinen Mondkalender. Allerdings blieb immer noch eine Abweichung zum Sonnenjahr von einem Tag pro Jahr. Der Schaltmonat wurde üblicherweise nach dem 23. Februar eingeschoben. Das Führen des Kalenders und das Einfügen der Schaltmonate war eine der Aufgaben der Pontifices, eines römischen Priesterkollegiums, das eine wichtige Rolle im römischen Staatskult spielte. Sie waren auch für den Grabkult und Sakralangelegenheiten, Opferhandlungen und Kultriten verantwortlich. Ihr Vorsteher war der Pontifex Maximus. Es ist bekannt, dass im Jahre 168 v.Chr., als die Römer in der Schlacht bei Pydna Makedonien besiegten und die Unabhängigkeit Griechenland beendeten, der römische Kalender dem Jahresverlauf um 73 Tage voraus war. Aber alle Versuche, die Genauigkeit des Kalenders zu verbessern und die teilweise willkürliche Kalenderführung und Kalenderschaltung durch die Priester einzuschränken, scheiterten lange Zeit am großen Einfluss der Pontifices. In der Mitte des 1. Jh. v.Chr. war die Abweichung des Kalenders vom wirklichen Jahresverlauf wieder auf 67 Tage angewachsen. Daraus resultierende Probleme in der staatlichen Verwaltung und im Wirtschaftsleben waren unübersehbar. Gaius Iulius Caesar war 63 v.Chr. auf Lebenszeit zum Pontifex Maximus gewählt worden. Auf dem Wege zur angestrebten Alleinherrschaft hatte er in den folgenden Jahren eine große Machtfülle in seinen Händen vereinigt. In seiner Eigenschaft als Pontifex Maximus beschloss er eine Reform des alten republikanischen Kalenders. Im Jahre 47 erließ er ein Dekret, in dem die Umstellung des alten römischen Mondkalenders auf den ägyptischen Sonnenkalender festgelegt wurde. Zur Vorbereitung der Kalenderreform berief er führende Wissenschaftler nach Rom. Der bekannteste war Sosigenes, ein berühmter Mathematiker und Astronom aus Alexandria. Seit frühen Jahren bildete bei den Ägyptern das Sonnenjahr die Grundlage für ihren Kalender mit 365 Tagen. Das Jahr wurde in drei Jahreszeiten zu je vier Monaten aufgeteilt. Jeder Monat zählte 30 Tage. Die restlichen fünf Tage wurden am Ende des Jahres hinzugefügt. Den Beginn des Jahres setzte man mit dem Beginn der jährlichen Nilüberschwemmungen fest, die mit dem ersten Sichtbarwerden des Siriussternes vor Sonnenaufgang zusammenfiel. Danach wanderte jedes Datum innerhalb von 1461 Jahren nur einmal durch das ganze Jahr. Caesar übernahm nun also das Ergebnis dieser mathematischen und astronomischen Leistungen. Die Namensbezeichnungen der zwölf Monate blieben bestehen. Aber die Länge der Monate wurde neu geregelt: Der Februarius hatte 28 Tage, die anderen Monate wechselten zwischen 31 Tagen (Januarius, Martius, Maius, Quintilis, Sextilis, October, December) und 30 Tagen (Aprilis, Iunius, September, November). Mit der Summe von 365 Tagen war wie in Ägypten eine Ungenauigkeit von einem Vierteltag pro Jahr erreicht worden. Zum Ausgleich dieser Differenz führte Caesar in seinem Kalender den Schalttag ein. Dieser war keine Erfindung von ihm oder seiner Kalenderreformkommission. Sie war auch schon den Ägyptern bekannt. Um eine noch größere Genauigkeit des Kalenders zu erreichen, erließ Ptolemaios III. Euergetes, König von Ägypten zwischen 246 und 221, im Jahre 238 v.Chr, ein Dekret, das anordnete: Zu seinen Ehren sei ein zusätzlicher Feiertag einzuführen. Und zwar alle vier Jahre nach dem fünften Tag des Jahres. Vor wenigen Monaten fanden Archäologen der Universität Potsdam bei Ausgrabungen in Ägypten eine Stele mit einer mehrsprachigen Inschrift. Der Text der Stele gibt unter anderem auch die Anordnung des Königs über die Einführung eines Schaltages wieder. Die Priesterschaft hatte damals aber die Durchführung der Kalenderreform vereitelt. 192 Jahre später legte Caesar nun fest, dass nach jeweils drei Jahren mit je 365 Tagen ein Jahr mit 366 Tagen folgen solle und dieser Schalttag nach dem 23. Februar einzuschieben sei. Zuvor allerdings hatte Caesar für das Jahr 46 noch ein Jahr mit 445 Tagen ausrufen lassen müssen. Es wurde »annus confusionis ultimus«, das »letzte Jahr der Unordnung«, genannt. Die 67 Tage schob man zwischen November und Dezember ein. Nun war zum Jahresende eine Übereinstimmung von Kalender und Jahresablauf wieder hergestellt. Der neue Kalender, der dann nach seinem Schöpfer als »Julianischer Kalender« in die Geschichte einging, trat am 1. Januar 45 v.Chr. in Kraft. In den folgenden Jahren wurden nur zwei wesentliche Veränderungen an dem neuen Kalender vorgenommen. Der Monat Quintilis, der Geburtsmonat Caesars (13.7.100), wurde nach seinem Tode ihm zum Gedenken im Jahre 44 in Julius umbenannt. Und im Jahre 27 beschloss der römische Senat, zu Ehren des ersten römischen Kaisers den Monat Sextilis nun Augustus zu nennen. Dieser Beschluss wurde aber erst im Jahre 8 v.Chr. umgesetzt. Damit hatte alle Monate des römischen Kalenders die Namen, die wir auch heute noch benutzen. Mit der Kalenderreform Caesars war für Jahrhunderte Ordnung in der europäischen Kalenderrechnung geschaffen worden. Allerdings war eine sehr geringe Abweichung vom Sonnenjahr immer noch vorhanden. Das Sonnenjahr (tropische Jahr) beträgt 365,2422 Tage, der Julianische Kalender rechnet mit 365,25 Tage. Damit war der Julianische Kalender um 0,0078 Tage länger als das Sonnenjahr. In 128 Jahren ergab das einen Tag Differenz. Im Verlaufe des 16.Jh. war diese Differenz auf über 11 Tage angewachsen. Papst Gregor XIII. (Papst 1572-1585) gelang es 1582 endlich, den Julianischen Kalender durch einen neuen Schaltmodus zu verbessern. Im Julianischen Kalender waren alle die Jahre Schaltjahre, deren Jahreszahl durch vier teilbar war. Diese Regel wurde übernommen, von Papst Gregor aber modifiziert. Alle Jahre, deren Zahlenwert durch 100, aber nicht durch 400 teilbar war, waren keine Schaltjahre mehr. Innerhalb einer Zeitspanne von 400 Jahren fielen also drei Schaltjahre weg. 1700, 1800, 1900 waren keine, 1600 und 2000 waren Schaltjahre. Und um die inzwischen wieder angesammelten Differenztage aus der Welt zu schaffen, ließ Gregor für 1582 ein Jahr mit 355 Tagen festsetzen. Auf den 4.10. folgte sofort der 15.10.1582. Mit dieser neuen Schaltregel betrug das Gregorianische Kalenderjahr nun 365,2425 Tage. Dadurch wird erst nach 3333 Jahren eine Differenz von einem Tag zwischen Kalender und Jahresablauf auftreten. Dieser so genannte »Gregorianische Kalender« wurde bis 1585 von den meisten katholischen Ländern eingeführt. Deutschland folgte 1700, Großbritannien 1752. Die orthodoxen Länder hielten noch bis in das 20.Jh. am Julianischen Kalender fest. Russland übernahm den Gregorianischen Kalender erst 1918, Griechenland 1923. Das große Verdienst, eine zuverlässige und stabile Grundlage für das staatliche und wirtschaftliche (Landwirtschaft!) Leben dauerhaft geschaffen zu haben, gebührt jedoch Caesar mit seiner Kalenderreform des Jahres 46 v.Chr.

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