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Mystik, Faschismus, Menschenhaß

Jutta Ditfurth sucht und findet gefährliche Strömungen in den Umweltbewegungen Okobuch Von Jörn Jürschik

  • Lesedauer: 4 Min.

Jutta Ditfurth hat ein Buch geschrieben, das in jenem bunten Spektrum der Umweltbewegungen den Menschenhaß von mystischen bis faschistischen Strömungen entlarvt.

Entspannt in die Barbarei« heißt es, im Untertitel »Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus«. Mit diesen drei Begriffen charakterisiert die Autorin ideologische Grundlagen einer reaktionären Politik gegen die Emanzipation der Menschen. Diese antiemanzipatorische Ideologie ist kennzeichnend für rechte Gesellschaftsvorstellungen.

Esoterik ist nach dem Verständnis von deren Anhängern selbst eine »elitäre Geheimwissenschaft, die nur erleuchtete Eingeweihte begreifen können.«

Biologistische und biozentristische Weltbilder, Wertesysteme, Vorstellungen auch vom menschlichen Zusammenleben

beziehen sich auf die lebende Natur als ganzes. Sie übertragen Prinzipien aus dem Tierreich, auch wissenschaftlich durchaus umstrittene, auf die Gesellschaft. Und sie attackieren den »Anthropozentrismus«, ein ideologisches Versatzstück, das den Menschen in den Mittelpunkt allen Geschehens stellt. (Es gibt in den Umweltbewegungen tatsächlich nicht wenige Menschen, für die die biologischen Tatsachen ihrer Existenz die ganz bestimmenden sind. Das äußert sich beispielsweise in einer Verachtung gegenüber Versuchen, Kommunikation mit anderen gesellschaftlichen Gruppen aufrechtzuerhalten oder erst herzustellen.)

Soweit sind Ditfurths Entlarvungen ernstzunehmen, aber noch nicht erschreckend. Das kommt erst: »Im Ökofaschismus, dem ökologisch modernisierten Faschismus, erkennen wir alle genannten Elemente faschistischer Herrschaftsform, zum Teil in ökologisierten Begründungszusammenhängen, wieder-Die größte Verantwortung für die Zerstörung der Natur durch die kapitalisti-

sche Produktionsweise tragen, so die Ökofaschisten, die Opfer eben jener Produktionsweise, im besonderen die Menschen im Trikont. Sie versauen durch ihre bloße Existenz das Klima der höherwertigen, zivilisierten, >weißen< Menschen in Europa.« Einige Beispiele vom andauernden Wirken ehemaliger Nazis oder Unterstützer des »Dritten Reiches« belegen, daß sich im Ökofaschismus nicht »nur« Rassismus und Chauvinismus artikulieren, sondern daß er Ausdruck gezielter Strategien zur politischen Einflußnahme ist.

Ditfurths Buch führt eine Fülle von Beispielen an, die die ideologischen Strömungen treffend charakterisieren. Geistige Wegbereiter wie der »Freiwirtschaftler« Silvio Gesell und der australische Eugenikverfechter Peter Singer sowie Gurus und Agitatoren verschiedener Ökobewegungen werden in ihrem unheilbringenden Wirken beschrieben. Allerdings geht Jutta Ditfurth kaum über die Entlarvung eben dieser Personen hinaus: Die Darstellung ihrer Ideologien do-

miniert die Einordnung in einen breiten gesellschaftlichen Kontext. Ist dieser Mangel einem verkürzten Verständnis wie »Die Person ist die Politik« geschuldet? Solche Politikauffassungen sind in der Linken ja recht verbreitet.

Ditfurth hat, ihrem politischen Standpunkt in der Organisation Ökologische Linke entsprechend, einen polemischen Stil der Darstellung gewählt. Damit wird sie ihrem Anliegen gerecht: »Dieses Buch ist eine Kampfansage an alle diejenigen, die in Gegnerschaft zum Wert der sozialen Gleichheit aller Menschen stehen.« Dieses Credo entzieht der zuvor geäu-ßerten Kritik den Boden teilweise: An ein Warnbuch sind nicht die gleichen Maßstäbe anzulegen wie an ein Sachbuch.

An zwei Stellen ist die Polemik unsachlich oder schießt übers Ziel hinaus. Eine pauschale Beurteilung ist falsch: »In der Okologiebewegung setzt sich in den letzten Jahren eine Auffassung von Natur durch, in welcher der Mensch als soziales Wesen nicht mehr vorkommt.« Die Umweltverbände sehen doch in vielen Problemen einen direkten Zusammenhang

von ökologischen und sozialen Aspekten. Unzutreffend oder gar beleidigend scheint die Bezeichnung »neurechte(r) Mystiker und Völkische(r)« für Rudolf Bahro. Gewiß lud er in seine Vorlesungsreihe an der Humboldt-Universität Vertreter esoterischer und biozentrischer Weltbilder ein; gewiß griff er in seinen Büchern mystische Anregungen auf. Und er plädiert für einen »Fürsten der ökologischen Wende«, den er gar institutionell verankern will. Doch macht man es sich zu einfach, darin einen starken Staat, eine antiemanzipatorische Haltung nach neurechtem Muster zu sehen.

Neben Oliver Gedens »Rechte Ökologie« (Elefantenpress; siehe ND vom 19.8.96) ist Ditfurths Buch ein wichtiges Warnbuch. Viele Umweltbewegte sind sich der reaktionären Ursprünge so mancher grünen Tradition nur mangelhaft bewußt. Der besondere Wert des Buches liegt in der konsequenten Auseinandersetzung von links aus. Die Leser sollten nur nicht vergessen, daß nicht jede reigentanzende Leinenkleidträgerin und nicht jeder verträumte Müsligenießer rechts steht. Jutta Ditfurth sieht sie aber als Manövriermasse eines »möglichen künftigen Faschismus«. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei. Konkret Literatur Verlag. Hamburg 1996. 224 S., Paperback, 28 DM.

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