Doppelter Bürgermeister mußte von der Dorfbühne abtreten
Wahlspektakel in Wrestedt (Niedersachsen)/Lokalpolitiker sind sich ausnahmsweise einig: Am Sonntag soll nichts mehr schiefgehen
Benecke ablehnte, schickte die CDU mit dem Amtsbonus des ehrenamtlichen Bürgermeisters Heinz-Herrmann Schulze, einen Landwirt, ins Rennen.
Die SPD sah sich im Zugzwang, ebenfalls einen Kandidaten zu präsentieren: Peter Ramünke half den Genossen aus der Klemme. Der joviale Polizeibeamte, in der Umweltpolitik engagiert, erradelte sich Sympathien in der Bevölkerung. Sein rotes Fahrrad wurde schnell zum Markenzeichen. Mit knappem Vorsprung setzte er sich im September gegen die Mitbewerber durch - im ersten Wahlgang, wie zwei Wochen später bei der Stichwahl gegen Schulze. Das Wahlergebnis sollte nicht die einzige Überraschung bleiben, für die Ramünke sorgte.
Spät, zu spät, dämmerte ihm, was er längst hätte wissen müssen: Das neue Amt ist nur zu haben auf Kosten der sicheren Laufbahn bei der Polizei. Nach Landesrecht darf kein Beamter zwei Dienstherren zugleich unterstellt sein. Da hatte Ramünke aber die Wahl schon angenommen. Freund wie Feind warfen dem Überraschungssieger plötzlich Versorgungsdenken und Blauäugigkeit vor »Wissen Sie, wie es in mir brodelt. ?« gestand er der Lokalzeitung. »Ich hafte schließlich mit meiner Existenz.« Und wer könne ihm die Wiederwahl in fünf
Jahren garantieren? Ramünke sah sich als Opfer- Die Rechtslage sei ihm vor der Wahl falsch dargestellt worden. Doch half kein Jammern und kein Klagen und kein Bittgang zu Innenminister Glogowski nach Hannover, um eine Ausnahme zu erwirken. Der »doppelte« Bürgermeister mußte sich entscheiden.
Zur Kommunalwahl im September 1996 hat Niedersachsen seine Kommunalverfassung geändert. Verteilten sich repräsentative Aufgaben und die Verantwortung für die Verwaltung in den Kommunen bisher auf zwei Schultern - die des Stadt- bzw. Samt-Gemeindedirektors und die des ehrenamtlichen Bürgermeisters -, ist seitdem der hauptamtliche Bürgermeister für beides zuständig. Mit der »Eingleisigkeit« änderte sich der Wahlmodus: Der Bürgermeister wird direkt von den Bürgern gewählt.
Als er nach zweimonatiger Bedenkzeit seinen Verzicht erklärte, galt das als Rücktritt während der Amtszeit. Die Konsequenz: Dem Nachfolger bleibt der Gewissenskonflikt erspart, der Ramünke zum Verzicht bewegte. Erst in neuneinhalb Jahren, nach Ablauf dieser und der folgenden Legislaturperiode, wenn ihm
eine Pension gewiß ist, muß er sich wieder den Wählern stellen. Das ist eine glückliche Fügung für die Samtgemeinde - die Neuwahl verursacht kaum zusätzliche Kosten, weil der nächste reguläre Urnengang entfällt. Eine glückliche Fügung vor allem aber für Harald Benecke.
Im September noch enttäuschter Wahlverlierer, könnte er jetzt von den sonderlichen Wechselfällen der Kommunalpolitik profitieren. Die SPD nämlich möchte ihrer dörflichen Prominenz ein Wahldesaster ersparen. Und CDU-Matador Schulze hat die Stichwahl-Niederlage gegen Ramünke noch nicht verwunden. Benecke kann auf Unterstützung aus allen Lagern rechnen. Es soll »endlich wieder Ruhe einkehren« auf der Dorfbühne, findet Ex-Bürgermeister Schulze. Und hatten es sich die Parteistrategen nicht ursprünglich so vorgestellt? Benecke beerbt sich selbst als Beamter an der Spitze der Samtgemeinde, und die Mehrheitsfraktion im Rat macht die Politik.
Doch ob die Wrestedter nochmal die Statisten in dem Stück abgeben wollen? Mindestens 25 Prozent der rund 5700 Wahlberechtigten müssen sich überzeugen lassen, daß Benecke besser wäre als gar kein Bürgermeister, und dem Einzelbewerber ihre Stimme geben - sonst müßte zum vierten Male gewählt werden.
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