Goldspur zweier Individualistinnen
Siebenkampf-Weltmeisterin Sabine Braun und ihre Trainerin Gertrud Schäfer
Die Wiedererringung des WM-Titels im Siebenkampf durch die Wattenscheiderin Sabine Braun ist der Erfolg einer großen Individualistin und einer ebensolchen Trainerin: Gertrud Schäfer, eine ehemalige Kugelstoßerin und jetzige Diplomsportlehrerin am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Mahr. Seit 1986 sind sie ein Team, dessen Erfolge im DLV einmalig sind: WM-Gold 1991 und 1997, EM-Titel 1990 und 1994, Ölympiabronze 1992, Hallen-WM-Siegerin 1997.
Das Athener x »Unternehmen Gold« wurde generalstabsmäßig vorbereitet. Schon im November vorigen Jahres buchte Gertrud Schäfer in unmittelbarer Nähe des Olympiastadions ein Hotel, in dem sie während der WM mit Sabine Braun bis zum Ende des Wettkampfes wohnte. Damit konnte die Athletin täglich eine Stunde länger schlafen, die Fahrzeit zum Stadion beschränkte sich auf sieben Minuten. Die Kosten trug Sabine Braun.
Mit dem DLV, der von solchen Extrawürsten nicht begeistert ist, stehen die beiden zwar nicht gerade auf Kriegsfuß, aber sie haben ein kritisches Verhältnis, das bis zur Schonungslosigkeit reicht. So nutzte Gertrud Schäfer (»Wir passen in kein Klischee«) die DLV-Pressekonferenz für ein Plädoyer für den Heppenheimer Hansjörg Holzamer, mit dem sie seit Jahren kooperiert und der einen großen Anteil an Sabine Brauns Leistungen über 100 m Hürden und Weitsprung hat. Holzamer, der den Olympiadritten über 110 m Hürden, Florian Schwarthoff, betreut, ist nicht in Athen, weil er es inzwischen nicht mehr einsehen kann, wie der DLV
mit den Heimtrainern der Athleten umgeht. »In der Leichtathletik verdienen der Athlet und der Manager«, meinte Gertrud Schäfer, »doch der Trainer arbeitet oft genug für 'n Appel und 'n Ei. Wo soll denn da die Motivation herkommen? Was ich fordere, ist ein Topf für die Trainer, aus dem sie nach einem Höhepunkt belohnt werden können.«
Professionelle Leichtathletik bedeutet für Gertrud Schäfer zuerst, professionell zu arbeiten. Dazu zählt für sie, ständig über die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen informiert zu sein. Da in dieser Hinsicht vom DLV nicht viel kommt, hat sie sich inzwischen selbst mit modernster Technik und der entsprechenden Software ausgestattet. Zu ihren
Konsultanten zählt Holzamer genauso wie Professor Armin Klümper. Gertrud Schäfer: »Es ist völlig unlogisch, daß der DLV eine solche sportmedizinische Kapazität einfach ausklammert.«
Nach dem enttäuschenden siebenten Rang 1996 in Atlanta erlebte Sabine Braun sportlich gesehen ein schönes Jahr. Sie begann mit dem Hallen-WM-Titel, es folgte der Europapokalsieg, nahtlos schloß sich Athen an, wo sie auch noch im Weitsprung antreten wird. Privat war 1997 traurig, denn vor drei Monaten starb ihre Schwester Birgit im Alter von 34 Jahren. Das war der zweite schmerzliche Verlust, den sie zu tragen hatte; 1986 war ihre Mutter gestorben - am gleichen Leiden (Brustkrebs). Wie Sabine Braun das alles verarbeitet, ist der eher verschlossenen Athletin schwer zu entlocken. Irgendwo hat sie es wohl in ihrem Herzen vergraben.
Obwohl Sabine Braun schon 1984 an den Olympischen Spielen teilgenommen hatte (Platz sechs), ist sie auch als 32jährige noch entwicklungsfähig. In Athen bewies sie das im Kugelstoßen, wo sie erstmals über 15 m kam, was für Gertrud Schäfer als ehemalige Kugelstoßerin schon fast ein Frage der Ehre war. »Für Technik gibt es keine Pillen«, meinte die Trainerin. Während sie sich ziemlich sicher ist, daß Sabine Braun im Jahr 2000 in Sydney ihre fünften Olympischen Spiele erleben wird, ist die Weltmeisterin bei diesem Thema eher zurückhaltend: »Ich plane von Jahr zu Jahr.«
Mit Bestimmtheit kann sie allerdings sagen, daß sie an keinem Zehnkampf teilnehmen wird. Der erste für Frauen findet im September in Ahlen - mit 400 und 1500 m statt. Den 400-m-Lauf und auch Stabhochsprung könnte sie sich ja noch vorstellen, aber die 1500 m? »Ich hoffe, das kommt alles erst nach meiner Zeit.«
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