Der Stadthund wacht wieder
Vierbeiner sorgte in Bad Soden für politische Turbulenzen Von Heiner Halberstadt
Heiner Halberstadt (69),
freier Autor in Frankfurt (Main), über Bürgerzorn, der den Bürgermeisterstuhl wakkeln ließ
Foto: privat
Bad Soden ist ein Kurort, der sich an die südwestlichen Taunushänge schmiegt. Die Stadt hat heilkräftige Quellen, in denen schon Könige und Fürsten aus fernen Landen, Dichter und Denker ihre schmerzenden oder steif gewordenen Glieder erquickten. Und Bürger und Bürgerinnen aus dem nahen Frankfurt am Main wissen den Ort bis heute zu schätzen.
Bad Soden hat auch eine wunderschöne Altstadt, mit engen, malerischen Gassen und kunstsinnig restaurierten Häusern. Am Rande der Altstadt steht ein großes Bauwerk mit orientalischem Turmwerk und geschwungener Mosaik-Architektur Das hat Friedrich Hundertwasser gebaut. Doch der, der das bewohnbare Kunstwerk hat errichten lassen, ist darüber in den Konkurs geraten. Das wundersame Haus ist recht teuer, erhoffte wohlbetuchte Mieter blieben aus. Bad Soden hat auch einen weit über Bad Soden hinaus bekannten Politiker
Der heißt Dr Heiner Kappel. Der möchte seine FDP mindestens mit einem Bein ins deutsch-nationale Lager hinüber drängen. Den FDP-Wählern vor Ort scheint das wenig auszumachen. Denn die haben den Heiner Kappel mit der höchsten Stimmenzahl in ganz Hessen, mit 17 Prozent, ins Stadtparlament und in den hessischen Landtag gewählt und jetzt sogar zum Bundestagskandidaten auserkoren. Kappel hat zudem in Bad Soden einen guten Freund. Das ist der CDU-Bürgermeister Kurt E. Bender Im Amt ist Bender seit vielen, vielen Jahren, weil die Leute, die nicht FDP wählen, sich hauptsächlich für die CDU entscheiden.
Bad Soden hat auch oinen stadteigenen Wachhund. Und just dieser Hund hätte kürzlich bei der Bürgermeisterwahl die Mehrheitsverhältnisse in der Kommune auf den Kopf stellen und dem bisher immer erfolglosen Kandidaten der SPD, dem Karl Thumser, endlich die Tür in das Bürgermeisteramt öffnen können. Und das kam so: Zu dem Wachhund gehörte bis vor kurzem auch eine städtische Wachhund-Führerin. Die hat den Hund zum Wachen erzogen, hat mit ihm den Kurpark und die Gassen der Altstadt gesichert, ihn beköstigt und ihm eine Hütte neben der eigenen Wohnung eingerichtet. Eines Tages bekam der Bürgermeister mit der Wachfrau Krach und entließ sie. Nur den Hund, den wollte er behalten, weil der doch städtisches Eigentum sei. Aber als nun der Wachhund von seiner Wachfrau getrennt leben sollte, da hat er nichts mehr gefressen und dem nachfolgenden Führer den Dienst versagt. Das sprach sich in Windeseile in der ganzen Stadt herum.
Bad Soden machte sogleich mobil. Vor allem Bürgerinnen forderten lautstark,
daß der Hund, bevor er gar verhungere, seiner früheren Partnerin schleunigst wieder zugeführt werden müsse. Doch der Herr Bürgermeister glaubte, er könne die sich politisierende Tierliebe seines Wahlvolkes ignorieren. Selbst nach einer langen, heftigen Debatte im Stadtparlament, bei dem besonders die Grünen ihr kreatürliches Weltbild unter Beweis stellten, erklärte der erste Stadtvater, dem offensichtlich der aufwühlende Roman »Grambambulli« unbekannt war, seinetwegen könne ja, wenn es so wichtig sei, der dienstverweigernde Hund seiner früheren Gefährtin »zugeführt« werden. Die müsse aber zuvor »DM 5000,- für den Hund« an die Stadtkasse entrichten. Den Betrag hatte sich Bender vom Stadtkämmerer für das in den Vierbeiner über mehrere Jahre investierte Futter und sonstige Betreuung errechnen lassen.
Bad Soden hatte neuen Stoff, ein Sturm der Entrüstung brach los. Die CDU, statt sich vor ihren Parteifreund und Bürgermeister zu stellen, ging hinter dessem breiten Rücken in Deckung. Das Stadtparlament beschloß eiligst bei wenigen Enthaltungen: Das vierbeinige städtische Eigentum geht sofort zurück zur früheren Herrin, und zwar ohne Notenwechsel.
Bad Soden bleibt sich treu und hat inzwischen einen neuen Bürgermeister gewählt - Herrn Kurt E. Bender, CDU
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