Donnern aus der zweiten Reihe
American Football: Die Zukunft der deutschen NFL Europe sieht nicht rosig aus
Werbung verdeckt Leere
Getrübt wurde das Ereignis, das die vierte erfolgreiche Finalteilnahme in fünf Jahren wieder wahrscheinlich werden lässt, nur von den riesigen Werbebannern, welche die leeren Platzreihen kaschieren sollten. Die 16695 Zuschauer machten - angeheizt von den reizenden Cheerleadern - zwar ordentlich Stimmung, dennoch sähe das 74500 Fans fassende Berliner Olympiastadion ohne die Mega-Reklameplanen wohl noch gespenstischer aus.
Dabei entschied sich das Thunder-Management um Michael Lang vor zwei Jahren für den Umzug vom oft gut gefüllten Prenzelberger Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion in den modernisierten Fußball-Tempel in Charlottenburg, um noch mehr Besucher zu den Spielen des dreimaligen Gewinners der so genannten World Bowl zu locken.
Denn nur mit steigendem Zuschauerinteresse ist die schon oft totgesagte National Football League Europe noch zu retten. Das Fortbestehen des Ablegers der weltbesten American-Football-Liga (NFL) aus den USA ist abhängig von Willen und Geld der 32 US-Profiteams der NFL, die jährlich 16 Millionen Dollar investieren, um für ihren Sport in Europa Reklame zu machen. Aber schon vor der letzten Saison waren die NFL-Teameigner kaum gewillt, das Kunstprodukt in der alten Welt weiter am Leben zu erhalten. Mit nur einer Stimme Mehrheit beschlossen die Teambesitzer damals, überhaupt noch in eine neue Saison gehen zu wollen.
Vom finanziellen Standpunkt aus ist die NFLE bislang wenig lukrativ. Schon einmal (1992) wurde das damals noch unter dem Namen »World League of American Football« gestartete Projekt mit neun Mannschaften aus Deutschland, Spanien, Großbritannien, Kanada und den USA nach nur zwei Spielzeiten eingestellt. Die Perspektiven des 1995 begonnene Nachfolgeabenteuers - als eine diesmal rein europäische Veranstaltung - sehen von Jahr zu Jahr schlechter aus, da in den letzten sieben Jahren drei von sechs Mannschaften (London Monarch, Barcelona Dragons und Scottish Claymores) aus wirtschaftlichen Gründen ihre Liga-Lizenz an andere Standorte (nämlich an Berlin, Köln und Hamburg) abtreten mussten. Denn oberste Priorität hat, neben der Weiterentwicklung von Spielern aus den zweiten Reihen der US-amerikanischen NFL-Teams, vor allem eine weltweit bessere Vermarktung der US-Profi-Liga. Auch in Deutschland soll das Millionen-Investment NFL Europe langfristig Gewinne abwerfen.
Das Football-Gebilde aus sechs Teams mit dem großtönenden Anspruch einer europäischen Liga mutierte innerhalb von sechs Jahren - sieht man von Amsterdam ab - zu einer rein deutschen Angelegenheit. Und dass die drei neuen deutschen Teams hinzu stießen, verursachte bei den alten, Frankfurt Galaxy und Rhein Fire Düsseldorf, einiges Magengrummeln. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich der dreimalige hessische Champion und die Düsseldorfer, die in diesem Jahr Gastgeber des World-Bowl-Finales sind, die überschaubare deutsche Fan-Gemeinschaft noch brüderlich teilen konnten. Jetzt müssen sie sich auch strecken, um ihre Zuschauerzahlen gegenüber den anderen zu behaupten. Doch gerade der dortige Zuschauer-Boom in den 90er Jahren hatte die verantwortlichen Organisatoren in den USA und Europa, dazu veranlasst, auf Team-Standorte in Deutschland zu setzen. Gefordert wird nun ein Zuschauerschnitt von mindestens 15000 pro Team und Spieltag.
Acht Vorzeige-Europäer
Die ganze Liga steht unter Zugzwang und versucht daher mit allen Mitteln, die Zuschauer in die Stadien zu locken. Ob die drei Stunden vor Spielbeginn stattfindenden Power Partys mit einer Show aus Stunts, Tanz und singenden Musiksternchen die großen Fußball-Stadien füllt, scheint fragwürdig.
Wesentlich effektiver könnte sein, wenn die Footballunternehmen der NFLE auf die langfristige Etablierung von Spielerpersönlichkeiten setzen würden, statt den Fans jedes Jahr einen komplett neu zusammengewürfelten Haufen als »Hometeam« zu präsentieren. In den jeweils 48-Mann starken Kadern dienen lediglich acht so genannte »Nationals«, die als Nicht-Amerikaner die »Vorzeige-Europäer« mimen.
Positiv-Beispiele wie Christian Mohr und Jörg Heckenbach von Berlin Thunder machen deutlich, dass auch »Nationals« Profi-Karriere machen können. Zu Einsätzen in der Mutterliga NFL hat es jedoch bei beiden (noch) nicht gelangt. Genau das wäre aber das Ziel der Macher der NFL-Europe. Ihnen schwebt in den USA so ein Sympathieträger wie Dirk Nowitzki im Basketball vor. Damit könnte man American Football in Deutschland und Europa besser, nämlich personifiziert, vermarkten. Aber ein solches »German Wunderkind« ist nicht in Sicht - und die NFL Europe vielleicht bald Geschichte.
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