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msm Gleiches Recht für alle Ex-Spione

DDR-Topagent Klaus Kuron über Vertrauen, Verrat und die Effektivität, von Geh md

  • Lesedauer: 3 Min.

Klaus Kuron war Regierungsoberamtsrat im Bundesamt für Verfassungsschutz und seit 1981 Quelle des MfS

Foto: Kloss

Am Mittwoch öffnete sich für Klaus Kuron das Tor der Justizvollzugsanstalt Remscheid. Von 1981 bis 1990 war der heute 62jährige der erfolgreichste »Maulwurf« der DDR-Gegenspionage im Bundesamt für Verfassungsschutz. Er hatte sich am 8. Oktober 1990 selbst gestellt und wurde im Februar 1992 zur bisher härtesten Strafe-zwölf Jahre Freiheitsentzug - verurteilt.

? Herr Kuron, haben Sie die letzte Nacht im Gefängnis gut geschlafen?

Ja, obwohl ich seit Jahren mit einer fremden Person in einem Zimmer wohnen mußte.

? Wie hat die Justiz Sie und andere Ex-Spione behandelt?

Die Vollzugsbeamten haben uns korrekt behandelt und nicht benachteiligt. Leider war die ärztliche Versorgung auf sehr niedrigem Niveau. Dagegen haben der Generalbundesanwalt und der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf alles getan, um normale Hafterleichterungen und meine vorzeitige Entlassung zu verhindern.

? Was war Ihr Motiv, in der westdeutschen Spionageabwehr für das MfS zu arbeiten?

Es war ein Motivbündel und keine spontane Entscheidung, sondern ein über Jahre dauernder klärender Prozeß. Ich war frustriert über inkompetente Vorgesetzte, kam als Nicht-Akademiker nicht mehr weiter und hatte als Beamter des gehobenen Dienstes erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, meinen Kindern die gewünschte höhere Bildung einschließlich Studium zukommen zu lassen. Unter dem familien- und sozialpolitischen Gesichtspunkt erschien mir die DDR da attraktiver als die Bundesrepublik.

? Wie schätzen Sie die Effizienz der damaligen Außclärungsdienste in Westund Ostdeutschland ein?

Die HVA und der Militärische Nachrichtendienst der DDR waren nachweislich sehr effektiv Beim BND werden leider die Akten noch zugehalten, weil sie wohl nicht viel zu bieten haben.

? Sie sind verheiratet und haben vier Söhne. Haben Sie nie an die Gefahr für Ihre Familie gedacht?

Natürlich, ich hatte auch eine materielle Absicherung der Familie vorgesehen. Daß die DDR kollabieren würde, konnte ja niemand vorhersehen.

? Warum wurden Sie acht Jahre lang nicht von einem westdeutschen Dienst enttarnt?

Das müssen Sie die Dienste fragen. Nur Kommissar Zufall oder ein DDR-Verräter konnte mich enttarnen.

? Warum haben Sie sich im Oktober 1990 freiwillig dem Verfassungsschutz gestellt?

Aus familiären Gründen. Leider wurden Versprechungen wie Strafmilderung und fairer Prozeß nicht eingehalten.

? Hat sich Ihre Spionage gelohnt?

Nein, ich habe zwölf. Jahre Freiheitsstrafe bekommen und meine wirtschaftliche Existenz verloren. Jetzt muß ich als schwerbehinderter Rentner mit meiner Frau wegen Pfändungen des Staates auf Sozialhilfeniveau leben. Trotzdem bereue ich meine frühere Tätigkeit nicht.

? Was bedeuten für Sie heute Vertrauen und Verrat?

Ein Nachrichtendienst vertraut professionell seiner Quelle, die er nie vollkommen kontrollieren kann. Es kommt immer darauf an, von welcher Seite aus man das betrachtet. Die eigene Seite führt »Quellen«, der Gegner hat »Verräter«. »Verrat« begeht immer nur die gegnerische Seite. Daß der stellvertretende HVA-Abteilungsleiter, Oberst Karl-Christoph Großmann, nach der Wende mich und andere IM verraten würde, daran habe ich im Traum nicht gedacht. In meinen Augen ist er ein schlimmer Verräter

? Sie haben im März 1995 die Initiative »Kundschafter des Friedens fordern Recht« mitbegründet. Warum?

Es ist doch ein himmelschreiendes Unrecht, daß die Regierung Kohl die West-Spione in der DDR belobigte, belohnte und entschädigte, die Inoffiziellen Mitarbeiter der DDR-Geheimdienste dagegen aufs Schlimmste bestrafte. Diese Ungleichbehandlung muß beseitigt werden. Ich fordere nur gleiches Recht für alle Ex-Spione. Eine kleine Hoffnung habe ich, daß die SPD/Grünen-Regierung uns DDR-Spione amnestiert und rehabilitiert.

? Haben Sie noch Freunde?

Ja, nicht viele, aber ausreichend. Houte weiß ich, wer und wo meine wirklichen Freunde sind.

Interview Herbert Kloss

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