- Politik
- Ein Denkmal für Daniel Burens gescheiterten Stelenpark auf Weimars Rollplatz
Mit flüchtiger Liebe
Keine Spur mehr von verletzter Eitelkeit, als Daniel Buren wieder auf dem Rollplatz steht. Noch einmal ist der französische Konzeptkünstler in Weimar zu Gast, obwohl er, wie er heute sagt, »gar nicht erfreut gewesen sei«, daß nach der Ablehnung seines Beitrages zum Kulturstadtjahr im Stadtrat nicht viel mehr als Zeichnungen und ein Modell zurückblieben. Was dieser Tage die Diskussion um die Ausstellung »Aufstieg und Fall der Moderne« ist, war vor anderthalb Jahren der Streit um die Neugestaltung des Rollplatzes im Jakobsviertel der Stadt. In die Programmbücher des Kulturstadtjahres fand er unter dem Titel »Das war Ihr Preis gewesen« Eingang. Zwischenzeitlich scheinen sich die Zornesfalten des Generalbeauftragten Bernd Kauffmann aber gelegt zu haben, und so heißt es auf dem Rollplatz nun schlicht »Hommage a Daniel Buren«.
Der Rollplatz ist einer der ältesten Plätze Weimars, Urpunkt der Zivilisation könnte man ihn nennen. Menschen siedelten hier schon zu grauer Vorzeit, auch wenn der »Autofriedhof«, zu dem man ihn heute gemacht hat, nur bedingt urbane Züge trägt. Stelen hat Buren, der gerühmte Streifenmagier aus Paris, setzen wollen. Allein, man ließ ihn nicht. Die Sorge der Anwohner um ihre Parkplätze und die
Sorge der Stadtväter um die Stimmen ihrer Wähler verhinderten seinen Plan eines Parks mit Stelen verschiedener Höhe, Brunnen, Bänken und Illumination. So schön einfach war die Welt, als die deutschen Feuilletons im Frühjahr 1998 nach Weimar, der Schildbürgerstadt, blickten. Die Klassikerstadt ist zur Kulturstadt avanciert, ihre Einwohner haben sich mit diesem Schicksal arrangiert, mehr noch, sie gefallen sich in ihrer Rolle als Kulturstädter. »Vorher war der Horizont doch viel zu beschränkt, um die Chancen wahrzunehmen, die dieses Jahr bietet«, sagt Dieter Puff. Der Weimarer steht in der Rotunde, nein, nicht in der DDR-Kunstverzierten, sondern in der von Yadegar Asisi geschaffenen. Der Wiener Maler sollte dem Burenschen Projekt, das »zu niemandes Herz fand« (Paul Celan), ein Denkmal setzen. Acht Parkplätze haben sein dreidimensionales Bild und fünf Informationstafeln, auf denen die Kontroverse nachempfunden wird, gekostet. Und was passierte? Ein Fest wurde gefeiert, und auf einmal wollten keinem der früheren Kritiker mehr so böse Worte über die Lippen kommen, wie sie bei Bürgerversammlungen anno '98 noch fielen. Nur ein SPD-Kreisgeschäftsführer steht mit versteinerter Miene vor der gezeichneten Vision. »Friß oder verrecke - so hat Buren uns seine Betonklötzer vor die Füße geworfen«, sagt er, dessen Büro sich gleich hier um die Ecke befindet. Wer denn, bitte, die Stelen hätte sauberhalten sollen, und überhaupt, wer bestimme darüber, was Kunst sei? Unversehens hat sich eine kleine Runde in der Rotunde versammelt.
»Als ich gegen das Buren-Projekt unterschrieben habe, wußte ich nichts von farbigen Stelen, vom Wasser und von den Bänken« , sagt Dieter Puff.
Als die Dämmerung über dem Platz hereinbricht, verstummt das Gespräch. In der Abendstimmung läßt der Mond Flaneure Schatten werfen, das Pflaster glänzt im Schein der wie von innen leuchtenden Stelen. Kaum ein die Fenster belebendes Licht geben die historischen Fassaden preis. Pärchen sitzen auf Bänken rund ums sprudelnde Wasser. Daniel Buren
sitzt einige Meter entfernt in einer Brasserie und schließt mit dem Kapitel Weimar endgültig ab. »Das ist die Weimar-Tradition: Man mag das Moderne nicht.« Wobei er selbst unter den Rollplatz-Bewohnern sehr viel mehr Zustimmung ausgemacht habe, als es ein »gezielt gesteuertes« Stimmungsbild in der Presse vermittelt habe. Mit Verweis auf den Abbau der Hommage in drei Monaten zitiert sich Bernd Kauffmann selbst: »Mit flüchtiger Liebe schließt man das ins Herz, was schnell wieder verschwindet.« Frank Motz, enfant terrible der autonomen Weimarer Kulturszene, geht vorüber, hört's und teilt mit fast diebischer Freude mit. »Noch raffinierter wäre es ja gewesen, wenn das ganze von Anfang an nur als imaginäres Projekt angelegt gewesen wäre.«
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