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  • Politik
  • Dagestan und Rußland Putin hat

verschlafen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.

Auch wenn der amtierende russische Regierungschef Wladimir Putin von Zar Boris zum Thronfolger erklärt wurde: Er dürfte kaum in der Lage sein, seine großmäuligen Versprechungen in Sachen Dagestan zu erfüllen. In anderthalb bis zwei Wochen, so Putin, werde die Republik zur Normalität zurückkehren. Schon zu Beginn des Tschetschenien-Krieges hieß es, man werde mit einem Fallschirmjägerregiment in zwei Stunden »die verfassungsmäßige Ordnung« wiederherstellen. Das ist bis heute nicht gelungen. Dabei waren dort die Fronten einigermaßen klar.

Anders in Dagestan, wo seit Jahrzehnten angestaute Aggressionen und Konflikte der einzelnen Volksgruppen gewaltsam nach Entladung drängen. Die Kämpfe zwischen islamischen Fundamentalisten und Truppen der Staatsmacht sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Der Geheimdienst FSB und sein bisheriger Chef Putin haben die Entwicklung schlicht verschlafen. Flexibilität und die Fähigkeit, auf Extremsituationen adäquat zu reagieren, gehörten noch nie zu Moskaus Stärken. Dazu kommen gravierende Probleme in den »bewaffneten Organen«. Armee und die für Bürgerkrieg und ethnische Konflikte zuständigen Truppen des Innenministeriums sind für Guerilla-Kämpfe weder ausgerüstet noch ausgebildet. Die Mehrzahl der bisherigen Verluste Moskaus ist falsch eingegebenen Zielkoordinaten bei der Artillerie und Irrtümern der Luftwaffe geschuldet, die gar georgische Grenzdörfer bombardierte.

Mangelnde Erfolge der Russen aber verführten die schwache, weil demokratisch nicht legitimierte dagestanische Regierung inzwischen dazu, Forderungen der Bevölkerung nach Selbstbewaffnung

nachzugeben. Das aber kann unter ungünstigen Vorzeichen zum Bürgerkrieg führen, der den ethnischen Flickenteppich in Atome zersprengt. Nicht die Schura, der Rat der von den Glaubenskämpfern besetzten Bergdörfer, der am Dienstag eine unabhängige islamische Republik ausrief, ist gegenwärtig die 'Hauptgefahr Das tschetschenische Beispiel hat in Dagestan viel an Leuchtkraft verloren, und zum fundamentalistischen Islam bekennt sich nur eine Minderheit. Die Lunte am dagestanischen Pulverfass sind vielmehr die Milizen. Deren Waffenarsenal, das nun legalisiert wird, dürfte bei nächstbester Gelegenheit in einem der vielen schwelenden ethnischen Konflikte zum Einsatz kommen.

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