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Kiez-Cafe für Obdachlose

24-Stunden-Service in Friedrichshain gegen Armut Von Hans-Jürgen Neßnau

  • Lesedauer: 2 Min.

»Wer kommt, ist gern gesehen«, sagt Jürgen Dincher und bewirtet den Besucher im »Kiez Cafe - LBI« in der Friedrichshainer Wühlischstraße 42 zur Mittagszeit mit Matjeshering und Pellkartoffeln zu 2,50 Mark. »Messerscharf kalkuliert«, räumt der Vorsitzende der Landesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen Berlin (LBI) ein. Das sei nur möglich, weil die »Berliner Tafel«, ein in Schöneberg ansässiger Verein, Lebensmittel von Groß- und Supermärkten, Bäckern, Kantinen und Restaurants kostenlos erhält und an Bedürftige weitergibt. 180 Einrichtungen in Berlin würden beliefert, bestätigte Brigitte Prochnau von der »Berliner Tafel« dem ND. Seit 1991 existiert die Betroffeneninitiative wohnungsloser Menschen in meh-

reren deutschen Städten, seit 1998 auch in Berlin. Ziel des Vereins sei, die Situation von Obdachlosen zu verbessern und die Selbsthilfegruppen zu vernetzen, sagte Jürgen Dincher. Kontakte zu allen Berliner Parteien wurden gesucht. Nur bei der PDS - und das in allen Bezirken und im Abgeordnetenhaus - habe man Unterstützung bekommen.

In der am 1. November eröffneten Einrichtung finden Obdachlose rund um die Uhr anonym Aufnahme und Betreuung. Von morgens um 8 bis 24 Uhr ist das »Kiez Cafe« geöffnet, dann wird es zum »Nacht Cafe«. Jederzeit stünden ehrenamtlich arbeitende Betreuer bereit, erklärte Dincher. Von den zwölf Schlafgelegenheiten im 137 Quadratmeter großen Quartier sind derzeit die meisten jede Nacht belegt. Die Frauen und Männer können auch duschen, ihre Wäsche waschen, von der Kleiderkammer Gebrauch machen.

Abendessen und Frühstück erhalten die Übernachter gratis.

In Friedrichshain ist der Anteil der Sozialhilfeempfänger erschreckend hoch, weiß Dincher. »Kohle« fehle vielen selbst zum Knüpfen von Kontakten, und wenn es in der Kneipe ist. Hier setzt LBI an. Das Cafe sei ein Ort, wo bedürftige Menschen die Möglichkeit zum Plaudern haben, aus der armutsbedingten Isolation herauszukommen. Zweimal im Monat soll es Nachmittage für ältere Menschen im Kiez mit Kaffee und Kuchen und Musik geben. Mit der Volkssolidarität ist man darüber im Gespräch. Zweimal im Monat sind auch »Nachmittage des Kindes« mit Spielen und Basteln geplant. Drachenbauen und Töpferarbeiten sind die ersten Angebote. Politische Diskussionsabende, so zur Rentenfrage, sind in Vorbereitung. Am 19 November, 20 Uhr, steigt eine Lesung mit dem Schriftsteller Othmar Josef Heis aus Österreich.

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