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Blitzerwarnung: Was ist erlaubt?

Handys, die vor Radargeräten Alarm geben

War es unfreiwillige Werbung? Seit Verkehrspolitiker der Regierungskoalition vor zwei Wochen öffentlich über die Lockerung der Verbote nachdachten, erreichen die billigen Miniprogramme zur Blitzerwarnung (ab 0,79 Euro) immer neue Download-Rekorde. Der Markt für Smartphones und die dazugehörigen Applikationen (Apps) boomt, und unter den zehn meistverkauften Apps sind in diesem Monat gleich zwei Programme zu finden, die vor Radarmessungen oder fest installierten Blitzern warnen.

Bisher dürfen Autofahrer weder solche Apps noch die eingebaute Blitzerwarnfunktion im Navigationsgerät nutzen. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) verbietet beides. Allerdings stammt der Gesetzestext noch aus der Vor-Smartphone-Ära: Demnach ist es verboten, »ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören« (§ 23 Abs. 1b StVO). Betriebsbereit bedeutet auch, dass der Blitzerwarner im Navigationsgerät während der Fahrt rasch eingeschaltet werden könnte. Eigentlich richtete es sich gegen sogenannte Radarwarner oder »Radar Jammer«: Geräte, die bei Annäherung an Radarwellen eine Warnung an den Fahrer abgeben oder gar mit Störwellen eine Messung unbrauchbar machen. Sie kosteten mehrere Hundert Euro, ihr Gebrauch ist hierzulande untersagt. Vier Punkte und 75 Euro Bußgeld drohen bei Verwendung.

Doch die neuen Apps setzen auf Datenbankwissen und die Vernetzung der Autofahrer. Wer sich beispielsweise die »blitzer.de«-App in der kostenpflichtigen Version für weniger als einen Euro auf sein Smartphone geladen hat, greift mit dem Handy automatisch auf eine deutschlandweite Datenbank zu, die nach Angaben der Betreiber täglich mit 4000 Hinweisen der Nutzer aktualisiert wird. Angeblich sollen bereits 500 000 Autofahrer mitmachen, Tendenz steigend: Die Apps funktionieren dabei in beide Richtungen: Wer einen Blitzer sieht, drückt einfach auf den rechten Knopf an seinem Display, schon wird die Tempoüberwachung per Internet gemeldet und kommt nach einer Überprüfung in die Datenbank. Wer auf einer Strecke mit Blitzer unterwegs ist, den weisen ein rotes Symbol und ein Hinweiston auf die sich nähernde Tempomessung hin. Ist die Luft rein, leuchtet es auf dem Display grün. Für zehn Euro ist der Service dauerhaft abonniert.

Gemäß StVO ist dies auf jeden Fall eine zu ahndende Ordnungswidrigkeit, doch noch ist kein Fall bekannt, bei dem ein Polizist wirklich das Handy eines Autofahrers untersucht hätte, um die Verwendung solcher Apps nachzuweisen. Denn heutzutage sind Handys mit einer Vielzahl persönlicher Daten gefüllt, was eine Beschlagnahmung aus Gründen des Datenschutzes äußerst schwierig macht. Noch verworrener ist es, wenn der Beifahrer den Blitzerwarner während der Fahrt auf seinem Handy laufen lässt: Denn dafür gibt es keinerlei rechtliche Handhabe, alle Regelungen beschränken sich bislang auf den Fahrzeugführer.

Nach den neuen Plänen in der Koalition soll zumindest die Warnung vor fest installierten Tempomessgeräten künftig zulässig sein. Der eigentliche Nutzen von Tempoüberwachung wird damit allerdings ad absurdum geführt: Denn anstatt die Verkehrsteilnehmer an Unfallschwerpunkten zur Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit zu zwingen, werden sie punktgenau informiert, wo sie mit Messungen zu rechnen haben. Während die Radiodurchsagen von Geschwindigkeitsmessungen immerhin den pädagogischen Effekt haben, den Autofahrer stets an die Einhaltung der Verkehrsregeln zu erinnern, kann sich der App-Benutzer gezielt über die Messungen hinwegsetzen.

Wie harmlos erscheint da doch das analoge Blitzerwarnen per Lichthupe, das immer noch mit zehn Euro Bußgeld bestraft werden kann, weil die Lichthupe nur zur Warnung vor Gefahrenstellen benutzt werden darf. Hier ist beim Warnen weiterhin nur Handarbeit sanktionsfrei: Denn mit Handzeichen dürfen sich entgegenkommende Autofahrer weiterhin vor Tempomessungen warnen - völlig legal.

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