»Hier schützt Religion nicht«

Fremdenfeindlichkeit als innerkirchliches Problem soll Thema der nächsten EKD-Synode werden

  • Katrin Nordwald, epd
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), so wird intern gefordert, soll das Ausmaß rechten Gedankenguts in der Kirche und die Gründe dafür untersuchen. Ein entsprechender Antrag soll auf der anstehenden Synode eingebracht werden.

Dresden/Bielefeld. Die NSU-Mordserie bringt die Behörden bis heute in Erklärungsnot. »Sie hat auch deutlich gemacht, dass Rassismus kein Randphänomen, sondern in der Mitte der Gesellschaft gediehen ist«, meint Friedemann Bringt von der Bundesarbeitsgemeinschaft »Kirche und Rechtsextremismus« mit Sitz Dresden. Die Kirchen sind davon nicht ausgenommen. Laut einer Studie der Universität Bielefeld haben Kirchenmitglieder nicht weniger Vorurteile gegenüber Minderheiten als die übrige Bevölkerung.

Im Ausmaß der Fremdenfeindlichkeit gebe es kaum Unterschiede zwischen Katholiken, Protestanten und Konfessionslosen, stellt Beate Küpper, Mitautorin der Studie, fest: »Hier schützt die Religion nicht.« Sie verweist auf eine bundesweite Umfrage unter 2000 Menschen im Mai und Juni 2011 zur Behauptung »Es leben zu viele Ausländer in Deutschland«. Dieser Aussage stimmten von den Konfessionslosen 46,4 Prozent »eher« oder »voll und ganz« zu, bei den Katholiken waren es 51,2 Prozent und bei den Protestanten 45 Prozent. »Die Botschaft der Nächstenliebe muss in der Kirche anders vermittelt werden«, folgert die Wissenschaftlerin. Für die Sonderauswertung der Langzeitstudie »Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit 2001-2011« unter der Leitung des Konfliktforschers Wilhelm Heitmeyer wurden je zu einem Drittel Protestanten, Katholiken und Nicht-Kirchenmitglieder befragt.

NPD-Aktivist im Vorstand

Die Arbeitsgemeinschaft »Kirche und Rechtsextremismus« fordert eine eigene Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), um das Ausmaß rechten Gedankenguts in der Kirche und die Gründe dafür zu untersuchen. »Wir brauchen eine wissenschaftliche Grundlage für entsprechende Bildungsarbeit in den Gemeinden und in der Ausbildung von Pfarrern und Kantoren«, sagt Sprecher Bringt. Ein Antrag soll auf der anstehenden EKD-Synode vom 4. bis 7. November im Ostseebad Timmendorfer Strand eingebracht werden. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider findet es nicht verwunderlich, »dass bei fast 24 Millionen evangelischen Kirchenmitgliedern gewisse Vorurteile vorhanden sind, die leider in unserer Gesellschaft insgesamt existieren«. Der rheinische Präses plädierte bereits vor Jahresfrist dafür, zu erforschen, »was da in unseren Gemeinden umgeht, womöglich gar gestützt auf ein falsches Verständnis des Christentums«. Christen seien aufgerufen zum Widerspruch »gegen die menschenfeindliche Ideologie des neuen Rechtsextremismus, wie sie sich besonders in rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Vorstellungen zeigt«.

Fälle offen gezeigter rechtsextremer Gesinnung in der Kirche wurden bislang nur vereinzelt bekannt. So gab es laut Schneider in der rheinischen Kirche einen Fall, in dem ein NPD-Aktivist in einen Kirchenvorstand gewählt werden wollte. In der braunschweigischen Landeskirche wurde 2007 ein Mann wegen Mitgliedschaft in der rechtsextremen Partei aus einem Presbyterium entlassen.

EKD-Sprecher Reinhard Mawick sieht aufgrund solcher Einzelfälle keinen Handlungsbedarf. »Wir haben bisher nicht von irgendwelchen nennenswerten Vorgängen im kirchlichen Kontext gehört, die auf eine rechtsextreme Haltung schließen lassen«, erklärt er. Vielmehr engagiere sich die Kirche vielerorts gegen Rechts. »Und dass rechtsextremistische Gesinnung mit dem Kern des christlichen Glaubens unvereinbar ist, liegt auf der Hand.«

Das fand auch die evangelische Gemeinde Teuchern in Sachsen-Anhalt: Sie entließ Gemeindekirchenrats-Mitglied Hans Püschel, nachdem dieser 2011 bei der Landtagswahl für die NPD antrat. »Er ist weiter Kirchenmitglied, aber die Kirche distanziert sich deutlich von seiner Ideologie«, sagt der damalige Ortspfarrer Thomas Wisch, heute Superintendent des Kirchenkreises Mittelmark-Brandenburg. Er unterscheidet zwischen Person und Sache: Am Menschen Hans Püschel halte er fest. »Wenn ich ihn aufgeben würde, könnte ich meinen Pfarrerjob gleich an den Nagel hängen.«

Letzte Zweifel?

Auch der Dortmunder Altsuperintendent Hartmut Anders-Hoepgen hält nichts davon, Rechte aus der Kirche auszuschließen. »Wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen, sie immer wieder zum Gespräch einladen, denn bei den meisten von ihnen besteht dieser letzte Zweifel an ihrem Denken und Tun«, sagt der Sonderbeauftragte der Stadt Dortmund gegen Rechtsextremismus.

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