Staatsdiener sollen nicht streiken

Deutscher Beamtenbund stellt Rechtsgutachten vor

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Rechtsgutachten befindet Beamtenstreiks für rechtswidrig. GEW und ver.di sind anderer Meinung.

Vor der nächsten Tarifrunde im Öffentlichen Dienst der Länder Anfang 2013 stellte der Deutsche Beamtenbund (dbb) gestern in Berlin klar: Gestreikt wird nicht. Zur Unterstützung seiner Haltung hat der dbb ein Gutachten beim konservativen Rechtsexperten Udo di Fabio in Auftrag gegeben. DGB-Gewerkschaften halten dagegen.

Peter Heesen, Chef des dbb, wählte eindeutige Worte: »Niemand kann Streiks in Schulen, Gefängnissen, Polizeiwachen oder Finanzämtern wollen«, sagte er mit Blick auf einen Rechtsstreit, der seit einiger Zeit vor deutschen Gerichten ausgetragen wird. Hintergrund sind Klagen von Lehrern, die sich in den vergangenen Jahren an Warnstreiks beteiligt hatten und dafür disziplinarisch belangt wurden. Einige von ihnen sind mit Unterstützung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vor Gericht gegangen.

Eine eindeutige Entscheidung gibt es bisher nicht. So erklärte das Verwaltungsgericht (VG) Kassel im Oktober 2011 mit Blick auf die europäische Rechtsprechung Beamtenstreiks für rechtmäßig. Das VG Düsseldorf hatte im Dezember 2010 einer verbeamteten Lehrerin das Recht auf Streik zugestanden und eine Disziplinarmaßnahme wieder aufgehoben. Im März dieses Jahres hatte jedoch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Entscheidung aus Düsseldorf in der Berufungsverhandlung wieder aufgehoben. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ist anhängig.

In dieser Gemengelage will der dbb nun Klarheit schaffen und hat dafür den ehemaligen Bundesverfassungsrichter di Fabio engagiert, der in seinem Gutachten wenig überraschend zur Schlussfolgerung kommt: Das Streikverbot für Beamte und die damit einhergehenden Disziplinarverfahren seien rechtens, denn »der Rechtsstaat ist auf Beamte angewiesen, die nicht streiken«.

Das sieht die GEW anders. Zwar fordert auch sie kein Streikrecht für alle Beamten und schon gar nicht will sie das Berufsbeamtentum abschaffen. Sie stützt sich aber in ihrer Begründung auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die beim Streikrecht zwischen explizit hoheitlichen und anderen Aufgaben unterscheidet. Kurz: Lehrer dürfen streiken, Polizisten und Justizbeamte nicht. Das bestätigten auch zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, die das Recht auf Kollektivverhandlungen und auf Streiks betonen - auch für verbeamtete Lehrer.

Heesen, der ankündigte, alle Stellen, die sich mit der Frage beschäftigen, mit dem Gutachten zu beglücken, hofft auf eine Befriedung, denn »die Kollegen wissen jetzt, woran sie sind«. Die GEW und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sehen aber keinen Anlass, von ihrer Haltung abzuweichen, und fordern weiter, das Streikverbot für Beamte zu durchbrechen. Ilse Schaad, Leiterin des Vorstandsbereichs Angestellten- und Beamtenpolitik der GEW, sieht darin eine Demokratisierung des Beamtenrechts. »Es ist nicht erstaunlich, dass der dbb dieses Gutachten vorlegt, allerdings wäre es wohl das erste Mal in der Geschichte der Rechtsprechung, dass ein Gutachten eine unklare Rechtslage klärt«, sagte sie gegenüber »nd«. Zwar geht sie nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht ihrer Auffassung folgen wird. Sie kündigte aber an, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal