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Nur spielen bringt nichts

Bei der Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen in Mexiko kommt der wahre Erfolg erst nach dem Turnier

  • Lesedauer: 3 Min.
Sozialarbeiter LARS WEHRMANN (Foto: Anstoß! e.V.) war in Mexiko Teammanager. Über das Turnier und seine Arbeit sprach er danach mit STEPHAN FISCHER

nd: Herr Wehrmann, wie wird man Mitspieler bei der Weltmeisterschaft der Straßenfußballer?
Wehrmann: Wir von »Anstoß!« veranstalten einmal im Jahr eine Deutsche Meisterschaft im Straßenfußball. Daran nehmen dann ungefähr 20 bis 25 Mannschaften von Einrichtungen z.B. der Wohnungslosen- oder Drogenhilfe teil. Unter den Spielern wählen wir Kandidaten für die Nationalmannschaft aus. Wir laden in ein Trainingslager nach Gifhorn ein, dort entscheiden wir dann, wer mit uns zur Weltmeisterschaft fährt.

Was spielt eine Rolle bei der Auswahl der Spieler?
Die Ausdauer und das Engagement, was die Spieler in den Sportangeboten der Einrichtungen an den Tag gelegt haben. Es geht natürlich nicht nur um die sportliche Leistung. Wir schauen ob die Weltmeisterschaft auf dem weiteren Weg helfen kann. Sie bringt eine große Öffentlichkeit für die Teilnehmer Das kann auch problematisch sein, da gibt es manchmal Ängste. Außerdem bringt es nichts, einfach nur dahin zu fliegen, zehn Tage nur zu spielen und Weltmeisterschaft zu haben. Die Teilnahme kann eine Initialzündung sein, man trifft Menschen aus vielen Nationen, man blickt über den eigenen Tellerrand hinaus.

Was gewinnen die Spieler?
In erster Linie Anerkennung für die Leistung, die sie bisher in ihrem Leben schon erbracht haben. Sie nehmen eine Begeisterung mit, die andere Menschen ansteckt. Sie werden dann auch zu Botschaftern in ihren Einrichtungen, motivieren andere zur Teilnahme an den Sportprojekten, die ja freiwillig sind. Es gibt Spieler die nach der Weltmeisterschaft als Trainer eigene Mannschaften auf die Beine gestellt haben, Verantwortung für andere übernommen haben

Wie wurde die Reise nach Mexiko finanziert?
Die Reise selbst wurde von der »Aktion Mensch« gefördert, innerhalb eines Förderpaketes für die Bundesagentur, das noch bis Mitte 2013 läuft.

Was wird damit noch gefördert?
Ein Leitfaden für Sozialarbeiter, wie sie Sport in ihre Arbeit integrieren können. Außerdem der Ausbau des Netzwerkes aus Straßenfußballligen in Deutschland.

Wie soll es dann nach 2013 weitergehen?
Wir versuchen gerade, neue Förderprogramme zu bekommen, sind aber auch auf Spenden angewiesen. Das ist ein großes Problem, nicht nur bei uns sondern überall in Europa. Das habe ich in Mexiko in Gesprächen immer wieder gehört.

Woran liegt das?
Wir können nicht auf große Spendenprogramme mit Plakataktionen oder andere Werbung zurückgreifen. Es gibt bisher auch zu wenige Sponsoren aus der freien Wirtschaft. Das Thema Obdachlosigkeit ist stigmatisiert. Es fällt einer gewinnorientierten Firma sicherlich schwer, eine positive Markenkommunikation mit dem Thema Obdachlosigkeit aufzubauen.

Und der Deutsche Fußball-Bund?
Wir hoffen, den DFB für die Weltmeisterschaft gewinnen zu können. Über seine Stiftungen arbeitet er bei den Deutschen Meisterschaften schon mit uns zusammen. Die UEFA bittet ja bereits die nationalen Verbände um Kooperation und schlägt vor, dass sie mit den Partnern der Weltmeisterschaft, also z.B. »Anstoß!« in Deutschland, zusammen arbeiten sollen.


Obdachlosen-WM

Vom 6. bis zum 14. Oktober fand in Mexiko-Stadt die zehnte Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen statt. An dem Turnier nahmen 62 Teams aus 48 Nationen teil. Drei Straßenfußballstadien waren im Zentrum von Mexiko-Stadt aufgebaut. Etwa 200 000 Zuschauer verfolgten Spiele. Deutschland wurde 37., Chile gewann bei den Männern, Mexiko bei den Frauen.

Anstoß! die Bundesagentur für Soziale Integration durch Sport e.V. ist der deutsche Partner des Turniers

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