Reservat für ein Fossil

Hält nur Niedersachsen an der Campus-Maut fest?

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Studiengebühren werden - außer in Bayern - nur noch im CDU/FDP-regierten Niedersachsen kassiert. Dort will sie die Opposition abschaffen. Doch über den Zeitpunkt gibt es Differenzen, und so wurde gestern im Landtag ein Antrag der LINKEN auf sofortiges Gebühren-Aus nicht nur von Schwarz-Gelb, sondern auch von SPD und Grünen abgelehnt.

Ehe studienwillige Menschen in Niedersachsen im »Campus« der Universität oder Hochschule ihre Akademikerlaufbahn beginnen dürfen, müssen sie zahlen. Pro Semester sind 500 Euro fällig. Von Langzeitstudenten, die nebenher für ihren Lebensunterhalt arbeiten und daher mehr Jahre als üblich im Hörsaal sitzen, werden bis zu 800 Euro pro Semester verlangt.

Wenn Niedersachsen diese Forderungen weiter aufrecht erhalte, stehe das Land isoliert da, gab Kreszentia Flauger, Vorsitzende der Linksfraktion, gestern im Parlament zu bedenken. Die Campus-Maut, die selbst in Bayern ins Wanken geraten ist, sei bildungsfeindlich, ungerecht und abschreckend. Zugang zu Hochschulen müsse unabhängig vom Geldbeutel möglich sein.

In punkto Abschaffung ist sich die niedersächsische Opposition einig, nicht jedoch über den Zeitpunkt, zu dem erstmals keine Gebühren mehr gezahlt werden sollen. »Sofort«, so will es die Linksfraktion und argumentiert, die dann wegfallenden Einnahmen im Etat könnten durch ein jüngst ermitteltes Steuerplus im Nachtragshaushalt 2012 ausgeglichen werden. »Erst zum Wintersemester 2014« sagen SPD und Grüne. Erst bis dahin stehe die finanzielle Kompensation des Gebühren-Fortfalls auf festen Füßen, auch brauche das Gesetzgebungsverfahren eine gewisse Zeit. Der Antrag der LINKEN auf sofortige Streichung hatte also keine Chance, wenn auch die anderen Oppositionsparteien ihr Nein zu den Gebühren ausdrücklich bekundeten. Dennoch zeigte sich Manfred Sohn, stellvertretender Chef der Linksfraktion, skeptisch: Wer die SPD kenne, der wisse, dass »radikale Worte vor der Wahl« nach der Wahl das Papier nicht wert seien, auf dem sie stehen.

Weiter abkassieren bei den Studierenden wollen CDU und FDP. Aus deren Reihen hieß es: Die Studiengebühren seien gerecht, weil Akademiker später mehr Geld verdienen als andere Arbeitnehmer. Die CDU ist offenbar taub und blind für das Umdenken in Bayern. Dort mehren sich in der CSU die Stimmen für ein Abschaffen der Gebühren.

Anlass für diese Kehrtwende die bayerische Landtags- und die Bundestagswahl 2013 sein und auch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes in München. Der hatte im Oktober entschieden, dass zum Wegfall des Studiengeldes ein Volksbegehren gestartet werden darf. Das wiederum könnte im Frühjahr 2013 ein Gebühren-Aus per Volksentscheid nach sich ziehen. Um der Gefahr einer solchen Niederlage vor der Wahl aus dem Weg zu gehen, denkt man in der CSU über die präventive Streichung der Gebührenpflicht in Bayern nach.

In Niedersachsen werde das eine rot-grüne Koalition nach der Landtagswahl im Januar so schnell wie möglich tun, versprach Gabriele Heinen-Kljajic, Bildungsexpertin der Grünen. Sie betonte, Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) vertrete ein »solitäres Gebührenfossil«. Das Festhalten daran schlage sich in den Studienanfängerquoten nieder: In Niedersachsen entschieden sich nur 31 Prozent der Studienberechtigten für ein Studium, im Bundesdurchschnitt seien es über 40 Prozent.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal