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Der Markt richtet den Klimaschutz
Der Markt soll es richten beim EU-Klimaschutz: Der Handel mit CO2-Emissionsrechten gibt nämlich die entscheidenden Anreize, damit Industriebetriebe ihren Treibhausgasausstoß gemäß dem europäischen Klimaschutzziel reduzieren. Minus 20 Prozent bis zum Jahr 2020 lautet die EU-Selbstverpflichtung. So die Theorie. Doch das Emissionshandelssystem steht vor dem Crash: Es sind wegen der Wirtschaftskrise viel zu viele Zertifikate im Umlauf, der Preis pro Tonne CO2 beträgt nur acht Euro - die EU-Kommission veranschlagte mehr als das Doppelte, klimapolitisch wünschenswert wäre das Fünffache. Diese Entwicklung hat Folgen: Die emissionsreiche Kohleverstromung wird dadurch rentabler. Und Klimaschutzprogramme, etwa zur CO2-Gebäudesanierung in Deutschland, kommen in Gefahr: Viele Regierungen hatten die Einnahmen aus der jährlichen Versteigerung eines Teils der Zertifikate für solche Zwecke verplant; nun kommt zu wenig Geld in die Staatskasse.
Brüssel möchte daher das wankende System von Grund auf reformieren - doch dagegen stehen die Lobbyinteressen der Industrie, die sich immer über niedrige Kosten freut, und die zögerliche Haltung der Mitgliedsstaaten. Nun hat die EU-Kommission erst mal einen zaghaften Versuch gestartet: Sie möchte 900 Millionen Zertifikate für drei Jahre vom Markt nehmen. Das Kalkül: Verknappung sorgt für Preisanstieg.
Dummerweise wird das im Überfluss vorhandene Gut dadurch gar nicht knapp. Laut Berechnungen des Öko-Instituts werden im Jahr 2013 zwei Milliarden Papiere zu viel im System sein. Gemäß der Marktlogik müsste eine solche Menge dauerhaft eingezogen werden. Und wenn man den Klimaschutz wirklich ernst nehmen würde, könnte die EU ihr Emissionssenkungsziel bis 2020 auf 30 Prozent steigern.
Die aktuelle Entwicklung gibt denen recht, die immer davor gewarnt haben, dass man den Klimaschutz dem Markt überlässt. Dieser hat noch nie Menschheitsprobleme gelöst; eher wird er den Klimaschutz in der EU richten.
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