Diplomatische Feuerwehr ohne Löschzug

USA-Präsident Barack Obama ist im Nahen Osten gescheitert

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Reiseweltmeisterin unter allen USA-Außenministern ist sie ohnehin schon, nun muss Hillary Clinton zum Abschluss ihrer Amtszeit noch einmal diplomatische Feuerwehr spielen. Viel zu spät, so Kritiker, eilte sie jetzt von der Tour mit Präsident Obama durch das zum strategischen Schwerpunkt der Supermacht erklärte Asien in den brennenden Nahen Osten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem, Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah, Ägyptens Staatschef Mohammed Mursi in Kairo - nach außen drangen nach den Krisengesprächen Hillary Clintons vor allem Allgemeinplätze: Es gehe jetzt um »eine dauerhafte Regelung, die zur regionalen Stabilität beiträgt und den Sicherheitsinteressen und legitimen Forderungen Israels und der Palästinenser Rechnung trägt«, erklärte die USA-Außenministerin gestern. Mit dieser Botschaft war Barack Obama schon zu seiner ersten Amtsperiode im Weißen Haus angetreten und hatte den israelisch-palästinensischen Konflikt zur Chefsache erklärt. Mit dem Ziel, den stagnierenden Friedensprozess wieder zu beleben.

Getan hat seine Regierung dafür viel zu wenig. So hat der Präsident Israel oder die Palästinensergebiete in den vergangenen vier Jahren nicht ein einziges Mal besucht. Zwischen ihm und Netanjahu, der alle Washingtoner Forderungen in Sachen Siedlungsbau schlicht ignorierte, herrschte Eiszeit. Das Verhältnis zu den gemäßigten Palästinensern im Westjordanland ist alles andere als gut, und mit der radikal-islamischen Hamas im durch die Blockade wirtschaftlich wie sozial desaströsen Gazastreifen redet man offiziell ohnehin nicht. Nach dem Sturm des »Arabischen Frühlings«, der einst hofierte Diktatoren in die Wüste schickte, stellt sich zudem die Frage nach Freund und Feind in der Region für Washington neu - und findet auffällig ratlose Antworten.

Mit der jüngsten Eskalation der Gewalt steht auch der Friedensnobelpreisträger vor den Trümmern seiner verfehlten Politik. »Der einzige Fehler der ersten Amtszeit, den Obama eingeräumt hat, ist sein Umgang mit dem Nahost-Frieden. Aber einen Plan hat er bisher nicht vorgelegt«, schrieb die Zeitung »Jerusalem Post« nach der Wiederwahl. »Ich werde die Zusammenarbeit mit Präsident Obama fortsetzen, um das grundlegende Bedürfnis der israelischen Bürger nach Sicherheit zu gewährleisten«, ließ Ministerpräsident Netanjahu wissen und beschwor die strategische Allianz zwischen Israel und den Vereinigten Staaten. Die Palästinenser hingegen erhoffen sich nun mehr Druck auf Israel, um über neue Friedensverhandlungen zu einer Zwei-Staaten-Lösung und zum Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967 zu kommen, so Chefunterhändler Saeb Erekat. Die Hamas erwartet von Obama ein Ende der einseitigen Parteinahme der USA für Israel. Davon war in den vergangenen Tagen allerdings nichts zu spüren.

Der USA-Präsident verurteilte die »feigen« Raketenangriffe palästinensischer Extremisten aus Gaza scharf und betont immer wieder »das Recht Israels auf Selbstverteidigung«. Selbst gegen eine mögliche Bodenoffensive gab es kaum Einwände, die Entscheidung liege ganz bei Israel, sagte Sicherheitsberater Ben Rhodes. Nach einem Treffen mit US-Generalstabschef Martin Dempsey hatte Israels Verteidigungsminister Ehud Barak zuvor erklärt, dass die bilateralen Sicherheitsbeziehungen »so tief und stark wie seit Jahren nicht mehr« seien. Das war wenige Tage vor Beginn der Luftangriffe auf Gaza, mit »Austere Challenge 12« (Ernste Herausforderung) lief gerade das bisher größte gemeinsame Manöver.

Inzwischen lobt Obama seinen ägyptischen Amtskollegen Mursi, einen islamistischen Muslimbruder, für dessen Vermittlungsbemühungen. Denn auch in Washington fürchtet man durchaus die regionale Kettenreaktion nach einer israelischen Intervention. Charles King Mallory IV., Leiter des Berliner Aspen-Instituts, sieht das größte Problem für eine Konfliktlösung allerdings in der Tatsache, dass Washington keine Direktkontakte mit Hamas habe. Und er glaubt auch nicht so Recht an eine andere Idee, die jetzt ins Spiel gebracht wird: Bill Clinton als Nahost-Sondergesandter. Als USA-Präsident war er bei den Friedensbemühungen in der Region so aktiv wie keiner seiner Nachfolger mehr. Doch sei die Verhandlungssituation heute viel unübersichtlicher und schwieriger als vor 15 Jahren.

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