NPD-Verbot: Grüne skeptisch

Innenminister wollen sich über ein Verfahren verständigen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 1000 Seiten Dokumente sollen belegen, dass die NPD verboten werden kann. Doch ob diese Materialsammlung die Richter in Karlsruhe und dann in Straßburg überzeugen wird, ist wohl alles andere als sicher.

In Rostock, wo sich heute die Innenminister treffen, um über ein NPD-Verbotsverfahren zu debattieren und den Ministerpräsidenten für ihr Berliner Treffen am Donnerstag eine Empfehlung zu geben, kann viel über die NPD gelernt werden. In der Bürgerschaft sitzt Birger Lüssow, ein früherer Kameradschaftsführer. Im Landtag wird die Partei von David Petereit vertreten, einem einstigen Mitarbeiter Lüssows. Petereit hatte zu Beginn der 2000er Jahre eine rechte Zeitschrift herausgegeben, die einen Gruß an den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund abdruckte. Und Udo Pastörs, Fraktionschef im nahen Schwerin, gilt als Garant einer engen Verschränkung der NPD mit den aggressiven, gewalttätigen Neonazi-Subkulturen.

Es sollen in vorderer Linie auch Pastörs-Tiraden sein, auf die sich die Befürworter eines Verfahrens - alle Länder bis auf das Saarland und Hessen - stützen. 1000 Seiten Material wurden gesammelt, die jenes aggressive, kämpferische Vorgehen gegen die Grundwerte der Verfassung belegen sollen, das ein Verbot erfordert. Der Jurist Franz Wilhelm Dollinger, der das Material im Auftrag Niedersachsens geprüft hat, sieht gute Chancen auf einen Erfolg. Er führt etwa eine Rede von Pastörs im Jahr 2009 an, mit der sich dieser offenbar als Führungsfigur profilieren wollte.

Laut Dollinger ergibt sich, dass der Antisemitismus in der Partei ein »Konstruktionsprinzip« sei. Die Rede vom »Volkstod« und türkischen »Samenkanonen«, das Beharren auf dem Blutrecht, ein Selbstverständnis als »Werkzeug« in einem gegen den Parlamentarismus gerichteten Kampf, die Verbindung mit den »Kameradschaften«: All das spreche für einen zweiten Versuch. Auch Dollingers Auftraggeber, der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU), hatte lange als Skeptiker gegolten. Nun steht er hinter einem Verbotsverfahren - wie auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Parteifreund des CSU-Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich, der sich bislang zurückhaltend äußerte.

Im Jahr 2003 war das erste Verbotsverfahren noch kläglich gescheitert, bevor es in der Hauptsache überhaupt begonnen hatte. Das Belastungsmaterial hatte in Größenordnungen auch auf Äußerungen von V-Leuten basiert. Weil sich die Behörden weigerten, ihre Quellen offenzulegen, war ein fairer Prozess nicht möglich. Diesmal soll das Material »echt« sein. Die NPD ist allerdings weiterhin von V-Leuten durchsetzt, wenn wohl auch nicht mehr auf Vorstandsebene.

SPD und LINKE befürworten ein Verfahren, Union und Grüne sind gespalten. Rechtspolitiker der Grünen warnen in einer Erklärung vor einem erneuten Scheitern, spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Auch diesmal hätten schon zahlreiche Belege wegen eines V-Mann-Hintergrunds zurückgezogen werden müssen. Die Quellen seien weiter dunkel. In einem internen Gutachten hätten sich Friedrichs Juristen kritisch gezeigt - wie auch die Mehrheit der Landesverfassungsschützer.

Während die Sozialdemokraten zu einem gemeinsamen Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung aufrufen, deutete der Magdeburger Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa einen möglichen Alleingang der Länder an. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) forderte Friedrich ultimativ auf, sich spätestens auf dem heutigen Treffen in Rostock zu positionieren.

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