Kalter Krieg ums Internet

Modernisierung der Internationalen Fernmeldeunion schlägt fehl - Datenverkehr bleibt unangetastet

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 3 Min.
Die internationale Kommunikationskonferenz in Dubai schließt mit neuem Regelwerk ab - aber die westlichen Mitgliedstaaten unterzeichnen es nicht.

Um diesen Kompromiss wurde hart gerungen: Die Weltkonferenz zur internationalen Telekommunikation (WCIT) hat es nach zähen Verhandlungen zwischen den 194 Mitgliedsländern geschafft, ein abschließendes Papier zu entwerfen. Allerdings: Viele wollen dieses nicht unterschreiben. Der Text enthalte »Unschärfen, etwa im Bereich Security und Bekämpfung von Spam, und Risiken staatlicher Eingriffe in das Internet«, hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium zum Abschluss der Konferenz am Freitag. Die EU, USA, Australien und einige andere unterzeichneten deshalb nicht. In Kraft tritt das Regelwerk nur bei allgemeiner Zustimmung.

Die Delegationen der UN-Mitgliedsstaaten sowie Vertreter aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft tagten seit zwei Wochen in Dubai, Stimmrecht hatten allerdings nur erstere. Zur Debatte standen bei der Konferenz die International Telecommunication Regulations (ITR) von 1988. Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) strebte eine Modernisierung der ITR an. Vor allen Dingen sollte das Internet in den Kompetenzbereich der UN-Organisation aufgenommen werden. Schon im Vorfeld wurde dieser Punkt heiß diskutiert. Während Kritiker vor allem die Internetfreiheit in Gefahr sahen, witterten andere Mitgliedsstaaten eine Chance auf mehr Einfluss im Netz.

Allen voran forderte Russland, die Verwaltung des Internets durch die ITU regeln zu lassen. Aber auch China, Iran und die Golfstaaten sowie einige afrikanische Länder schlugen sich auf diese Seite. Gegner wollten stattdessen die dezentrale Verwaltung des Internets durch größtenteils unabhängige Organisationen wie die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) erhalten. Streitpunkt dabei war unter anderem das Thema Sicherheit. Die westlichen Länder definieren diese vor allem als Gewährleistung technischer Stabilität und als Schutz des Datenverkehrs, während andere auch die Inhalte einer Kontrolle unterziehen möchten. Mit einer Aufnahme des Internets in die Telekommunikation könnten dann auch Gebühren wie beim Telefonieren möglich werden. Beim Sender-Pay-Prinzip würden die Unternehmen zusätzliche Kosten tragen: Datenintensive Webseiten wie beispielsweise Youtube.com sollen nach diesem Konzept extra zahlen. Netzwerkbetreiber könnten dann Seiten, welche die Gebühr ablehnen, einfach aus dem Netz werfen. Je nachdem, welchen Anbieter ein Nutzer hat, würde ihm ein Internet mit anderem Inhalt angezeigt.

Für die ITU geht es darum, ihre Zukunft zu sichern. Telefon und Funk werden immer unwichtiger, Kommunikation läuft heute meist digital über Breitbandnetze. Eine Aufnahme des Internets in den Kompetenzbereich der Fernmeldeunion hätte ihre Bedeutung gerettet. Aber schon im Verlauf der Konferenz zeichnete sich ab, dass es keine Einigung geben werde. »Tief gespalten« nannte der deutsche Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Kleinwächter, der ICANN bei der WCIT vertritt, die Konferenz schon zur Halbzeit. Vieles erinnere an die Frontlinien des Kalten Krieges. Der US-Delegationsleiter Terry Kramer kündigte bereits am Donnerstagabend aus Dubai an, den Vertrag nicht zu unterzeichnen. Für die USA geht es dabei auch darum, die eigene Stellung zu behaupten: Die meisten Regulierungsorgane wie ICANN haben traditionell ihren Sitz in Nordamerika. Im Abschlusspapier ist das Internet nur noch in einem nicht-bindenden Zusatz erwähnt. Währenddessen ist Internetzensur in einzelnen Staaten auch weiterhin möglich - daran ändert das Scheitern der WCIT nichts.

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