Schwarze Magie im Bundestag

Lobbyverband verschickte Voodoo-Puppen an Abgeordnete

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Initiative für eine Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) bedachte jeden Bundestagsabgeordneten mit einer Voodoo-Puppe und dazugehörigen Nadeln. Das merkwürdige Geschenk soll Politiker an die schmerzhaften Konsequenzen von leichtfertigen Wahlversprechen erinnern.

Frustrierte Bundestagsabgeordnete sitzen in ihren Büros und stechen auf Voodoo-Puppen ein, die Wähler symbolisieren sollen. Dieses absurde Szenario könnte nun Realität werden. Verantwortlich dafür ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Der vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete Lobbyverband schickte in der vergangenen Woche tatsächlich Voodoo-Puppen in den Bundestag. Beigelegt waren den kleinen Stoffmonstern sechs Nadeln. »An jeder dieser Nadeln hat man kleine Schildchen befestigt. Auf einem steht beispielsweise Mindestlohn, auf einem anderen Erbschaftssteuer«, so eine Mitarbeiterin der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann.

»Wir haben die Puppen an alle Abgeordneten verschickt«, erklärte INSM-Sprecher Florian von Hennet am Dienstag gegenüber »nd«. Keinesfalls gehe es der INSM darum, Parallelen zwischen Haiti und der deutschen Demokratie aufzuzeigen, so von Hennet. In dem verarmten karibischen Inselstaat soll sich die Voodoo-Religion größter Beliebtheit erfreuen. Doch mit schwarzer Magie habe man nichts am Hut, so von Hennet. Vielmehr sei die Aktion »ein augenzwinkender Scherz«. Ein Scherz auf Kosten der Wähler: Schließlich sollen die Puppen den typischen Stimmberechtigten symbolisieren.

Bleibt zu hoffen, dass nicht irgendwo in der Republik jemand vor Schmerzen aufschreit, weil ein CDU-Abgeordneter aus Jux und Dollerei in eine der Puppen sticht. Schließlich geht es beim ursprünglichen Ritual darum, der durch die Figur symbolisierten Person mit Hilfe von spitzen Gegenständen fürchterliche Schmerzen zuzufügen.

Der INSM geht es aber ums Abstrakte. Die Nadeln sollen die »schmerzhaften Auswirkungen« der Wahlversprechen deutlich machen, hofft von Hennet. Dabei geht es hier wohl weniger um den Wähler, als um die Interessen der deutschen Industrie, wie ein Blick auf die Schildchen an den Nadeln zeigt. Frauenquote, und Mindestlohn bereiten ja vor allem den Unternehmen Schmerzen, nicht aber den Bürgern.

Doch wie reagieren die Abgeordneten auf die Puppen? Die Resonanz falle sehr unterschiedlich aus, meinte von Hennet, der die entsprechenden Meldungen auf Twitter verfolgte. »Einige sind empört. Einige fragen, was das soll, und einige finden die Sache gut.«

Sabine Zimmermann von der LINKEN gehört nicht zu den Letztgenannten. »Die Puppe wird im Papierkorb landen«, so die Linkspolitikerin. Bei der SPD-Fraktion wusste man auf Nachfrage noch nichts von den Puppen und die Unionsfraktion wollte den Scherz nicht kommentieren.

Könnte sein, dass die Sache sogar nach hinten losgeht. Es wäre nicht das erste Mal. Der im Jahre 2000 ins Leben gerufenen Lobbyverband machte des öfteren mit fragwürdigen Aktionen von sich reden. Das lag auch an ihrem Auftrag. So sollte die INSM die in der Ära Schröder begonnenen neoliberalen Reformen propagandistisch begleiten. Dafür war ihr jedes Mittel recht. Mal ging sie dafür Partnerschaften mit etablierten Zeitungen ein. Etwa indem man zusammen mit der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« einen Preis für den »Reformer des Jahres« auslobte.

Ein anderes Mal ging man diskreter vor und ließ die Drehbücher einer ARD-Vorabendserie mit wirtschaftsliberalen Slogans anreichern. So geschehen im Fall des TV-Knüllers »Marienhof«. In sieben Folgen predigten die Schauspieler dort Eigenverantwortung und Flexibilität, während sie über Sozialabgaben und hohe Steuern schimpfen mussten.

Insofern bleibt man sich treu: Das nun gewählte Medium ist vielleicht etwas übersinnlicher, aber die dahinter steckende Botschaft ist dieselbe.

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