»So sehen Verlierer aus«
SPD und Grüne reagieren trotz Zuwächsen am Wahlabend verhalten / FDP wird durch CDU-Leihstimmen gerettet
Als Stephan Weil gegen 18.20 Uhr als Erster der beiden Anwärter auf den Posten des künftigen niedersächsischen Regierungschefs vor die Presse trat, schien es fast so, als habe er ungeachtet der noch nicht eindeutigen Hochrechnungen seinen Traum von einer rot-grünen Landesregierung unter seiner Ministerpräsidentschaft schon aufgegeben. »Es bleibt spannend, es bleibt ein Kopf-an-Kopf-Rennen«, sagte er zwar tapfer. Auch sei es noch zu früh, sich als Sieger oder Verlierer zu präsentieren. Als er dann aber angesichts der um rund drei Prozent gestiegenen Wahlbeteiligung die »Demokratie« als eigentliche Siegerin des Abends benannte, war dem SPD-Mann die Enttäuschung schon anzusehen. Auch das SPD-Plus von rund zwei Prozent war für Weil nicht wirklich Grund zur Freude. Hatten die Sozialdemokraten doch bei der Abstimmung vor fünf Jahren mit 30,3 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Niedersachsen eingefahren.
Weil bedankte sich artig bei der politischen Konkurrenz für den »fairen Wahlkampf«, was ein sozialdemokratischer Twitterer schon als »erste Anzeichen für eine Große Koalition« gewertet wissen wollte. »So sehen Verlierer aus«, twitterte ein anderer. Später schiebt Weil noch in einem Fernsehinterview nach, die Diskussion über die umstrittenen Äußerungen von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück habe keine negativen Auswirkungen gehabt. Einen verbalen Klopfer auf den Rücken bekam Weil von Gerhard Schröder: »Es ist ein Erfolg, egal wie es ausgeht«, sagte der Ex-Kanzler.
Während der Auftritt von Ministerpräsident David McAllister zunächst auf sich warten ließ, machten andere CDU-Granden kein Hehl daraus, dass es die FDP ohne CDU-Leihstimmen kaum wieder ins Parlament geschafft hätte. Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte im ZDF, er glaube, dass etliche CDU-Wähler »bei der FDP ein Kreuz gemacht« haben. Viele Anhänger der Union hätten sichergehen wollen, dass die FDP im Landtag bleibe und die schwarz-gelbe Koalition fortgesetzt werden könne.
FDP-Landespolitiker reagierten fast verschämt auf das Resultat. »Wir haben für die Wiederwahl der erfolgreichen Landesregierung geworben«, sagte Wirtschaftsminister Jörg Bode. Natürlich habe es viele Wähler gegeben, »die sich überlegt haben, wie diese Regierung am besten im Amt bleiben kann«.
Beim Spitzenpersonal der Grünen war trotz des Anstiegs um mehr als fünf Prozent nur wenig Freude zu spüren. »Unsere Glaubwürdigkeit und unsere Themensetzung« seien für den Wahlerfolg verantwortlich gewesen, sagte Landeschef Jan Haude. Er verzog dabei keine Miene. Auch Spitzenkandidat und Fraktionschef Stefan Wenzel wirkte enttäuscht, hatte nach eigenen Angaben aber zunächst noch Hoffnung. »Es kann noch ein langer Abend werden«, erklärte er im NDR-Fernsehen.
Die beiden Spitzenkandidaten der LINKEN redeten nicht um die Niederlage herum: »Es hat nicht gereicht«, so Landeschef Manfred Sohn. Das Wahlergebnis sei »ein Rückschlag«, der Aufwärtstrend habe zu spät eingesetzt. Ursula Weisser-Roelle sagte, zwar seien die von ihrer Partei gesetzten Themen durchaus angekommen. In Erwartung eines knappen Wahlausgangs hätten sich aber wohl viele »tendenzielle« LINKE-Wähler entschieden, dieses Mal die LINKE nicht zu wählen. Der Lieblingsfeind der LINKEN, Innenminister Uwe Schünemann (CDU), trat nach: Er sei »froh«, sagte er, dass die LINKE nicht mehr im neuen Landtag vertreten sei.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.