Werbung

»So sehen Verlierer aus«

SPD und Grüne reagieren trotz Zuwächsen am Wahlabend verhalten / FDP wird durch CDU-Leihstimmen gerettet

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Angesichts der bis zum Abend unklaren Mehrheitsverhältnisse im künftigen Niedersächsischen Landtag hielten sich die Landespolitiker mit Bewertungen zunächst auffällig zurück.

Als Stephan Weil gegen 18.20 Uhr als Erster der beiden Anwärter auf den Posten des künftigen niedersächsischen Regierungschefs vor die Presse trat, schien es fast so, als habe er ungeachtet der noch nicht eindeutigen Hochrechnungen seinen Traum von einer rot-grünen Landesregierung unter seiner Ministerpräsidentschaft schon aufgegeben. »Es bleibt spannend, es bleibt ein Kopf-an-Kopf-Rennen«, sagte er zwar tapfer. Auch sei es noch zu früh, sich als Sieger oder Verlierer zu präsentieren. Als er dann aber angesichts der um rund drei Prozent gestiegenen Wahlbeteiligung die »Demokratie« als eigentliche Siegerin des Abends benannte, war dem SPD-Mann die Enttäuschung schon anzusehen. Auch das SPD-Plus von rund zwei Prozent war für Weil nicht wirklich Grund zur Freude. Hatten die Sozialdemokraten doch bei der Abstimmung vor fünf Jahren mit 30,3 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Niedersachsen eingefahren.

Weil bedankte sich artig bei der politischen Konkurrenz für den »fairen Wahlkampf«, was ein sozialdemokratischer Twitterer schon als »erste Anzeichen für eine Große Koalition« gewertet wissen wollte. »So sehen Verlierer aus«, twitterte ein anderer. Später schiebt Weil noch in einem Fernsehinterview nach, die Diskussion über die umstrittenen Äußerungen von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück habe keine negativen Auswirkungen gehabt. Einen verbalen Klopfer auf den Rücken bekam Weil von Gerhard Schröder: »Es ist ein Erfolg, egal wie es ausgeht«, sagte der Ex-Kanzler.

Während der Auftritt von Ministerpräsident David McAllister zunächst auf sich warten ließ, machten andere CDU-Granden kein Hehl daraus, dass es die FDP ohne CDU-Leihstimmen kaum wieder ins Parlament geschafft hätte. Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte im ZDF, er glaube, dass etliche CDU-Wähler »bei der FDP ein Kreuz gemacht« haben. Viele Anhänger der Union hätten sichergehen wollen, dass die FDP im Landtag bleibe und die schwarz-gelbe Koalition fortgesetzt werden könne.

FDP-Landespolitiker reagierten fast verschämt auf das Resultat. »Wir haben für die Wiederwahl der erfolgreichen Landesregierung geworben«, sagte Wirtschaftsminister Jörg Bode. Natürlich habe es viele Wähler gegeben, »die sich überlegt haben, wie diese Regierung am besten im Amt bleiben kann«.

Beim Spitzenpersonal der Grünen war trotz des Anstiegs um mehr als fünf Prozent nur wenig Freude zu spüren. »Unsere Glaubwürdigkeit und unsere Themensetzung« seien für den Wahlerfolg verantwortlich gewesen, sagte Landeschef Jan Haude. Er verzog dabei keine Miene. Auch Spitzenkandidat und Fraktionschef Stefan Wenzel wirkte enttäuscht, hatte nach eigenen Angaben aber zunächst noch Hoffnung. »Es kann noch ein langer Abend werden«, erklärte er im NDR-Fernsehen.

Die beiden Spitzenkandidaten der LINKEN redeten nicht um die Niederlage herum: »Es hat nicht gereicht«, so Landeschef Manfred Sohn. Das Wahlergebnis sei »ein Rückschlag«, der Aufwärtstrend habe zu spät eingesetzt. Ursula Weisser-Roelle sagte, zwar seien die von ihrer Partei gesetzten Themen durchaus angekommen. In Erwartung eines knappen Wahlausgangs hätten sich aber wohl viele »tendenzielle« LINKE-Wähler entschieden, dieses Mal die LINKE nicht zu wählen. Der Lieblingsfeind der LINKEN, Innenminister Uwe Schünemann (CDU), trat nach: Er sei »froh«, sagte er, dass die LINKE nicht mehr im neuen Landtag vertreten sei.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal