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Harte Tarifrunde erwartet

Donnerstag beginnen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder steht vor der Tür. Fünf Gewerkschaften verhandeln für rund 800 000 Angestellte der Länder. Nicht nur die Forderung nach tariflicher Eingruppierung angestellter Lehrkräfte dürfte ein harter Streitpunkt sein.

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder mit rund 800 000 Beschäftigten beginnen am kommenden Donnerstag in Berlin. Dann wird bei drei Terminen bis Anfang März um Entgeltforderungen gestritten, um eine Übernahmeregelung von Ausgebildeten, um die technische Theaterbeschäftigte mit künstlerischen Aufgaben, die bislang nicht vom Tarifvertrag der Länder TV-L erfasst werden, sowie um zwei Tage Sonderurlaub für Beschäftigte an psychiatrischen Kliniken.

Die Forderungen hatte die Bundestarifkommission öffentlicher Dienst der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Dezember beschlossen. Deren Verhandlungsführer und Bundesvorsitzender Frank Bsirske wird, unterstützt vom für den öffentlichen Dienst zuständigen Vorstand Achim Meerkamp, nicht nur für die ver.di-Mitglieder verhandeln, sondern auch für die der Erziehungsgewerkschaft GEW, der Polizeigewerkschaft GdP sowie der Baugewerkschaft IG BAU.

Während es bei der Tarifrunde 2011 Sonderforderungen für Beschäftigte in Straßenmeistereien und im Küstenschutz gab, wollen die Gewerkschaften 2013 einen Entgelttarifvertrag für die rund 200 000 angestellten Lehrkräfte erstreiten. Löhne und Gehälter der Lehrkräfte werden einseitig vom Arbeitgeber, also den Landesregierungen, festgelegt. »Nicht mehr zeitgemäß«, überdies »undemokratisch«, nannte jüngst GEW-Tarifexpertin Ilse Schaad diese Praxis.

Schon 2011 konnte diesbezüglich nichts erreicht werden, seitdem ist man keinen Schritt weitergekommen. Der Grund für den Zwist: Nach 1990 konnten sich die neuen Bundesländer überlegen, ob sie Lehrkräfte verbeamten oder nicht. Die meisten entschieden sich dagegen, die Lehrerinnen und Lehrer sind Angestellte, die zwar von den Arbeitsbedingungen her den Beamten relativ gleichgestellt sind, aber weniger verdienen - und das variiert auch noch von Bundesland zu Bundesland. Vor einer Woche sind bereits mehrere hundert Lehrer in Berlin in einen zweitägigen Warnstreik getreten.

Für die Gewerkschaften ist die wachsende Ungleichheit zwischen Bund und Kommunen sowie den Ländern ein weiterer zentraler Punkt in der Tarifrunde, sagt Achim Meerkamp. Ab dem 1. August, tritt die nächste Stufe des Tarifabschlusses vom März 2012 in Kraft, dann verdienen die Beschäftigten der Länder 3,6 Prozent weniger als diejenigen in Bund und Kommunen.

Die Vorsitzende des DGB-Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, warnte vor dem Zusammenbruch des öffentlichen Dienstes in Berlin. Es müsse nun nach Jahren des Personalabbaus verstärkt ausgebildet und eingestellt werden, »und zwar unbefristet«. Berlin wurde 1994 aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgeschlossen, weil man damals in der Hauptstadt darauf bestand, die Beschäftigten im Ostteil der Stadt genauso zu bezahlen wie im Westen. Seit Januar ist das Land wieder dabei. Nur Hessen gehört nicht zur TdL, es war 2004 ausgetreten.

Jens Bullerjahn (SPD), Finanzminister Sachsen-Anhalts und Verhandlungsführer der TdL, nannte die Forderung der Gewerkschaften von 6,5 Prozent vorige Woche »völlig überzogen« und kündigte im Gespräch mit der »Süddeutschen Zeitung« an, der geplante Personalabbau werde umso drastischer ausfallen, je höher der Abschluss werde. Die Beschäftigten der Länder müssten sich damit abfinden, dass sie geringere Zuwächse haben werden als diejenigen in Bund und Kommunen, sagte Bullerjahn. Doch eine »Zwei-Klassen-Gesellschaft im öffentlichen Dienst dauerhaft zu etablieren«, sei mit den Gewerkschaften nicht zu machen, sagte Achim Meerkamp gegenüber »nd« und kündigte »entschiedenen Widerstand der Gewerkschaften« an. Die Länder könnten sich die Erhöhung überdies wegen gestiegener Steuereinnahmen leisten. Die Beschäftigten dürften »nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden«.

Dieser Meinung ist auch der neue Bundesvorsitzende des dbb »beamtenbund und tarifunion«, Klaus Dauerstädt. »Der Krankenschwester im Uniklinikum zum Beispiel kann niemand erklären, warum ihre Arbeit weniger wert sein soll als die der Kollegin im städtischen Krankenhaus eine Straße weiter«, sagte er gegenüber »nd«. Es werde für den öffentlichen Dienst auch immer schwerer, um den Nachwuchs mit der freien Wirtschaft zu konkurrieren. Denn so sicher, wie die Arbeit im öffentlichen Dienst oft wahrgenommen wird, ist sie lange schon nicht mehr: Fast 40 Prozent der unter 35-Jährigen haben einen befristeten Arbeitsvertrag.

Im Vorfeld der Tarifrunde ist der Beamtenbund dbb wieder mit einem Truck quer durch die Republik unterwegs. Heute steht der Truck ab 12 Uhr auf dem Stuttgarter Schlossplatz, Interessierte können sich dort über die Tarifrunde informieren. Morgen, Dienstag, macht der Truck in Düsseldorf Station.
Tarifergebnisse für die Beschäftigten werden meist für die Beamten übernommen. Insgesamt geht es so in den anstehenden Tarifverhandlungen um über zwei Millionen Angestellte, Arbeiter und Beamte – neben Bund und Kommunen und der Ende April beginnenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie die bedeutendste Tarifrunde im Jahreskalender. Das Ergebnis ist nach Ansicht Meerkamps darum meist auch eine »Leitplanke« für die folgenden Tarifrunden.

Es ist kaum davon auszugehen, dass die Tarifrunde ohne Arbeitsniederlegungen über die Bühne geht. Ob es aber bereits am Freitag zu Warnstreiks kommen wird, ist fraglich. Einerseits müssten die Gewerkschaften dann den Druck auch bis zur letzten Verhandlungsrunde am 7. und 8. März aufrecht erhalten, und zwei Monate können sehr lang werden. Andererseits haben die Warnstreiks letzte Woche in Berlin gezeigt, dass gerade die angestellten Lehrkräfte angesichts ihrer Bezahlungssituation auch den Willen zur Durchsetzung ihrer Forderungen haben - wie sicherlich auch die Beschäftigten in den anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes.

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