Abwesend

Berlinale und deutscher Film fremdeln

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

»Berliner Schule meets Kanada« kündigte Kirsten Niehuus, Chefin der Filmförderung Medienboard Berlin-Brandenburg, Thomas Arslans »Gold« an, der auf dem begehrtesten Platz für die Wettbewerbsfilme am Samstagabend im Berlinale-Palast laufen wird. Der deutsche Regisseur erzählt mit prominenten Schauspielern wie Nina Hoss und Peter Kurth von einer Gruppe Auswanderer, die 1898 von New York an den Yukon aufbrechen, um dort ihr Glück zu finden. Hoss kann für das Drama auf einen weiteren Silbernen Bären hoffen, der 50-jährige Regisseur war dagegen zuletzt mit »Im Schatten« ins Forum eingeladen. Dem Wettbewerb stellt er sich ebenso das erste Mal wie Pia Marais mit der deutsch-südafrikanisch-niederländisch-französischen Koproduktion »Layla Fourie«. Die in Berlin lebende Filmemacherin kehrte für die Dreharbeiten in ihr Geburtsland Südafrika zurück und beschreibt das Schicksal einer alleinerziehenden Mutter, deren Leben sich nach einem Unfall radikal ändert.

Dieter Kosslick setzt in diesem Jahr weiter auf Regisseure, die ihre ersten Schritte auf dem internationalen Parkett machen. Doch während Valeska Griesebachs »Sehnsucht« (2006) oder Burhan Qurbani »Shahada« (2010) neben bekannten Namen standen, glänzt Deutschlands erste Reihe in diesem Jahr mit Abwesenheit. Die Berlinale und der deutsche Film fremdeln.

Dabei ist es unbestritten Kosslicks Verdienst, den deutschen Film nach Jahrzehnten des gegenseitigen Misstrauens unter Moritz de Hadeln miteinander ausgesöhnt zu haben. Zudem etablierte er mit der Reihe »Perspektiven Deutsches Kino« ein internationales Schaufenster für den Filmnachwuchs, mit den Galas im Friedrichstadt-Palast gab er dem kommerzielleren Kino einen Platz. Dort verirren sich 2013 nur drei ambitionierte Dokumentarfilme neben Hollywoods Kommerzkino.

Und auch in Panorama und Forum muss der Zuschauer lange nach deutschen Namen suchen. Einzig das Kinderfilmfest wurde endlich wieder in der Heimat fündig und präsentiert Bernd Sahlings »Kopfüber« als Weltpremiere. Für Produzent Jörg Rothe ein künstlerischer Erfolg mit einem ökonomischen Wehmutstropfen. Der Kinder- und Jugendwettbewerb der Berlinale steht nicht auf der Liste der großen A-Festivals der Filmförderungsanstalt. Daher erhält er kein Geld in der so genannten Referenzfilmförderung, die ihm bei der Herstellung seines nächsten Films helfen. 2004 wurde diese Regelung eingeführt, um neben dem Erfolg an der Kasse auch Festivalerfolge zu belohnen.

Für das Panorama oder das Forum gibt es solche Punkte nicht. Leider mussten die deutschen Produzenten und die Weltvertriebe in den vergangenen Jahren auch schmerzlich lernen, dass die Einkäufer aus aller Welt sich kaum in die Filme der beiden Sektionen verirren. Die Verkäufe blieben unter den Erwartungen. Deshalb gehen sie mit ihren Filmen lieber auf die internationalen Festivals im Umfeld der Berlinale.

Fatih Akin oder Andreas Dresen sind nach ihren Erfolgen bei der Berlinale mittlerweile Stammgäste in Cannes oder Venedig, Tom Tykwer ging mit »Drei« und »Cloud Atlas« ebenso in die Fremde. Hinter dieser künstlerischen Präferenz stehen auch knallharte ökonomische Zwänge und ein Interessenkonflikt, den sich die deutsche Filmbranche selbst eingebrockt hat. Sollen sich die Filme im gleichen Jahr für den Deutschen Filmpreis qualifizieren, müssen sie bis Mitte März im Kino sein, wo sie dann gegen die amerikanischen Oscar-Favoriten laufen und sie sich wegen der Fülle der Neustarts gegenseitig kannibalisieren. Viele Filme verschwinden dann zum Leidwesen der Zuschauer, die sie mit ihren Steuergeldern finanziert haben, schnell wieder aus dem Programm. Wer dagegen in Cannes, Venedig oder Toronto läuft, kann sich den Starttermin aussuchen.

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